Ein Mann startet durch, nicht nur in Leverkusen. LARS BENDER (23) über seinen neuen Stellenwert.
kicker: Es liegt eine ereignisreiche Saison hinter Ihnen. Ist der Lars Bender im Sommer 2012 ein anderer Lars Bender als vor zwölf Monaten?
Lars Bender: Ich kann das nicht so beurteilen. Ich habe eine Menge Erfahrung gewonnen, dass man sich da auch verändert, ist klar.
kicker: Wohin verändert?
Bender: Ich denke, ich bin so weit, dass ich mich mehr einbringe, Verantwortung übernehme, meine Meinung äußere.
kicker: Sind sie manchmal vom Tempo der Entwicklung überrascht?
Bender: Ich habe eigentlich gehofft, dass es so schnell geht. Ich habe immer versucht wahrzunehmen, was da gerade auf mich zukommt und die Chance, die sich gerade bietet, dann auch zu nutzen.
kicker: Vor zwei Jahren waren Sie ein Niemand hinter Michael Ballack . . .
Bender: Mit Recht! Er war einer der besten deutschen Fußballer. Die Arbeit mit ihm war eine riesige Erfahrung für mich. Ich habe viel von ihm gelernt.
kicker: Heute sind Sie selber der Führungsspieler. Was kann Bayer Leverkusen von Ihnen erwarten?
Bender: Ich bin voll da. In den drei Wochen Urlaub habe ich nicht viel an Substanz verloren. Ich denke, man hat beim Länderspiel gegen Argentinien auch gesehen, dass ich körperlich auf einem guten Level bin.
kicker: Simon Rolfes wurde in Leverkusen erneut zum Kapitän ernannt. Hätten Sie dieses Amt auch gerne ausgeübt?
Bender: Ich muss das nicht unbedingt werden. Mein Verhalten auf dem Platz würde sich ja auch nicht verändern. Den Mund mache ich auch so auf, ich versuche, den Kollegen zu helfen und Aktionen während des Spiels zu organisieren. Was dies alles betrifft, bin ich sicherlich ein Führungsspieler. Wäre man auf mich zugekommen, dann hätte ich mich natürlich nicht geweigert. Für einen jungen Spieler wie mich ist so etwas doch eine absolut große Sache. Ich bin jetzt Vize-Kapitän, aber auch das ist ein nächster großer und wichtiger Schritt in meiner Entwicklung. Und was das Kapitänsamt bei uns angeht: Der Simon füllt die Rolle seit Jahren richtig gut aus.
kicker: Beim FC Bayern kochte in den vergangenen Tagen das Thema Javi Martinez wieder hoch. Der Neuzugang für diese Position beim Rekordmeister hätte auch Lars Bender heißen können. Wehmut?
Bender: Das Thema ist lange abgehakt, Bayer hat sich erklärt, ich habe alles gesagt. Meine Konzentration gehört Leverkusen.
kicker: Am Samstag startet Bayer in Frankfurt. Nach einer durchwachsenen Saison wird Ihrem Team nicht viel zugetraut.
Bender: Es ist richtig, dass vergangene Saison viel mehr möglich war. Wir haben zu früh Ansprüche formuliert und sie zu spät korrigiert. Das war ein Fehler. Wir müssen jetzt da anknüpfen, wo wir Ende vergangener Saison aufgehört haben. Da haben wir aus einer schwachen Position heraus doch noch Platz fünf geholt.
kicker: Und das mit gleich zwei Chefs. Wie sehen sie die Konstellation mit Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski?
Bender: Sie ist anders als allgemein üblich, aber es hat sich doch sehr schnell alles eingespielt und normalisiert. Das zeigt ja auch der Erfolg der letzten Saisonspiele. Grundsätzlich muss man sagen, dass mehrere Ansprechpartner in einem Trainerteam für einen Profi nichts Neues mehr sind.
kicker: Wo wird Bayer landen?
Bender: Jetzt wollen wir erstmal in Ruhe die Saison anlaufen lassen und dann sehen wir weiter.
kicker: Sehen Sie ein Rezept für den Erfolg?
Bender: Jeder muss einen Schritt mehr machen, jeder muss das Optimum aus sich herausholen. Dann werden wir mit unserer Qualität auch Erfolg haben.
kicker: Reicht diese Qualität tatsächlich?
Bender: Wir haben uns gut verstärkt, und wenn wir vom Verletzungspech diesmal verschont bleiben, dann können wir auf hohem Niveau durchwechseln. Das ist auf jeden Fall eine gute Voraussetzung.
kicker: Ihr Bruder Sven scheint dieses Pech in Dortmund seit Monaten gepachtet zu haben. Zuletzt musste er sich einer Leistenoperation unterziehen. Wie können Sie ihn moralisch unterstützen?
Bender: Er ist mitgenommen, keine Frage. Das ist doppelt bitter für ihn. Er hatte eine gute Vorbereitung, dann dieser Rückschlag. So wie es aussieht, kann er hoffentlich in einer Woche wieder mit dem Aufbautraining beginnen. Wir sprechen oft miteinander, ich kann halt nur versuchen, ihn aufzumuntern.
kicker: Sein Testspiel-Comeback nach der Verletzung feierte am vergangenen Mittwoch Bastian Schweinsteiger beim FC Bayern, während Sie gegen Argentinien in der Startelf standen. Ist Ihr Platz bei Löw demnächst wieder auf der Bank?
Bender: Es ist ein überragendes Erlebnis für Deutschland zu spielen. Ansonsten gilt, was ich vorhin gesagt habe: Man muss die Chancen nutzen, die sich einem bieten. Wie vor zwei Jahren in Leverkusen.
INTERVIEW: FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 20.08.12