Heynckes glückt die Zähmung der Angriffslustigen

  • Leverkusen (dpa) - Modernes Stadion, neuer Trainer, ungeahnte Tugenden: Beim ehedem jugendlich-sorglosen Hochgeschwindigkeitsfußball von Bayer Leverkusen hat Jupp Heynckes einen Gang zurückgeschaltet.


    Doch trotz des Verlusts an Attraktivität wurde der erfahrene Coach nach der erfolgreichen Premiere in der umgebauten BayArena für seine Philosophie mit Lob überschüttet. «Das, was uns letztes Jahr an Stabilität gefehlt hat, haben wir heute gezeigt. Das war der Prototyp unseres Spiels», sagte Sportdirektor Rudi Völler nach dem abgeklärt erarbeiteten 1:0 (0:0)-Erfolg gegen 1899 Hoffenheim.


    Ausgerechnet dieses Minimalergebnis erkor Torwart René Adler zum «schönsten Sieg» über Hoffenheim. In der vergangenen Saison hatte Leverkusen zweimal begeisternd aufgespielt und neun Treffer gegen die Kraichgauer (5:2, 4:1) erzielt. Doch da Bayer mit dem unbedingten Willen zum Angriff spätestens bei den entscheidenden Partien ins Verderben rannte, priesen auch seine Spieler die defensivere Ausrichtung von Heynckes. «Er will offensiv spielen, aber gleichzeitig erstmal hinten sicher stehen. Nach vorne geht bei uns immer was. Wenn wir das beibehalten, wird es für die anderen Mannschaften schwer, an uns vorbeizukommen», sagte Stefan Kießling, der vor 28 000 Zuschauern das erlösende 1:0 (67. Minute) erzielte.


    Auf dem Weg zum Paradigmenwechsel mit einer kompakteren Spielweise, taktischer Disziplin und konsequenten Zweikämpfen sieht Heynckes frühe Fortschritte. «Das hat die Mannschaft heute alles gezeigt. Das ist der Weg, der nach oben führt, nicht nur Schönspielerei und hin und wieder ein attraktives Spiel. Das genügt im Fußball nicht», betonte er.


    Bei der Zähmung des jungen Bayer-Teams war der 35 Jahre alte Sami Hyypiä bereits mehr als ein Eckpfeiler. Der «absolute Vollprofi» (Heynckes) zeigte sein überragendes Spiel in der Luft und initiierte Gegenangriffe. «Er ist nicht nur unser Fels in der Brandung, weil er so viele Kopfballduelle gewinnt. Er ist auch fußballerisch sehr gut», lobte Völler. Der frühere Liverpooler selbst blieb bescheiden: «Ich mag nicht über individuelle Dinge sprechen, nur das Team zählt. Wir haben es Hoffenheim richtig schwergemacht», sagte Hyypiä.


    Leverkusen gestand dem Gegner nur eine Großchance zu, die Adler gegen Vedad Ibisevic entschärfte. Allerdings präsentierten sich die Hoffenheimer Individualkönner auch nur noch als schlechtes Abziehbild der kollektiv-wirbelnden Einheit, die vergangene Saison zum Herbstmeister-Titel gestürmt war. «Wir müssen wieder begreifen, dass unser Spiel nur als Mannschaft funktioniert. Ich hatte das Gefühl, dass jeder nur versucht hat, sich als Einzelspieler einzubringen», beklagte Trainer Ralf Rangnick, der nach dem Fehlstart mit einem Zähler aus zwei Partien eine Steigerung herbeisehnt: «Wenn wir so spielen wie heute, werden wir gegen Schalke keine Punkte holen.»


    Auch Torwart Timo Hildebrand ermahnte die Mitspieler nach eigener starker Leistung mit deutlichen Worten: «Wir dürfen nicht immer nur mit Beinschüssen agieren, sondern müssen uns Torchancen erarbeiten.»


    © sueddeutsche.de - erschienen am 16.08.2009 um 10:49 Uhr



    Quelle: http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/690776