Nach dem besten Saisonstart seit fünf Jahren und einem kuriosen Schützenfest gegen Freiburg ließ selbst Disziplinfanatiker Jupp Heynckes Gnade walten. Der 64 Jahre alte Trainer von Bayer Leverkusen gewährte seinen Profis nach dem 5:0-Kanter-Sieg ausnahmsweise zwei freie Tage.
Beinahe diebisch freute sich Heynckes nach der Partie über das von ihm geforderte "Sieger-Gen". "In der zweiten Halbzeit habe ich es gesehen", erklärte der routinierte Coach nicht ohne stolz. Doch Heynckes wäre nicht Heynckes, wenn er seiner Mannschaft nicht mahnende Worte mit auf den Weg in den Kurzurlaub gegeben hätte. "Wenn wir uns am Dienstag wieder treffen, werden wir viel Zeit benötigen, um die erste Halbzeit zu analysieren. Das hat mir überhaupt nicht gefallen", mäkelte "Don Jupp".
Von überbordender Euphorie also keine Spur. "Wir gehen mit der Geschichte gelassen um. Natürlich ist ein schöner Start angenehm, da kommt Ruhe rein in die Geschichte. Aber unser Sieg ist zu hoch ausgefallen", sagte Bayer-Sportchef Rudi Völler relativierend und erhielt Zuspruch von Torschütze Stefan Kießling: "Wir dürfen uns nicht ausruhen und müssen konstanter werden. Die Leistung war nicht gut."
Doch insbesondere Kießling personifiziert den Leverkusener Höhenflug und profitiert vom System Heynckes - dem ökonomischen, effektiven und derzeit so erfolgreichem Spiel nach vorne. Wie sein Sturmpartner Eden Derdiyok hat der 25-jährige Kießling bereits drei Tore auf seinem Saison-Konto. "Es gibt keinen deutschen Stürmer, der mehr ackert und läuft als Stefan", sagte Völler in Richtung Bundestrainer Joachim Löw. Zwei Länderspiele hat Kießling bislang bestritten, das letzte Anfang des Jahres gegen Norwegen (0:1).
Die WM 2010 in Südafrika hat der Blondschopf also noch nicht aus den Augen verloren. Auch der Aberglaube soll dabei helfen. "Wer rasiert, der verliert", erklärte Kießling seinen Bartwuchs, der erst bei einer Niederlage wieder gestutzt werden soll.
An alten Traditionen will auch Freiburgs Coach Robin Dutt trotz des schwächsten Starts des Aufsteigers in eine Bundesliga-Saison seit 14 Jahren festhalten. "Wir haben eine gewisse Art und Weise Fußball zu spielen. Die wurde bisher nicht belohnt. Aber es ist unsere einzige Chance zu bestehen", sagte Dutt. Wieder spielten die technisch versierten Breisgauer lange Zeit guten Fußball, wieder verloren sie. "Wenn der SC an diese Leistung anknüpft, werden sie nicht absteigen", lobte Kießling den Gegner, der noch zwei Treffer von Tranquillo Barnetta hinnehmen musste.
Freiburgs Kapitän Heiko Butscher konnte das nicht trösten. "Für das viele Lob können wir uns nichts kaufen", meinte der Abwehrspieler. Die Zahlen bestätigten ihn: 15 Schüsse feuerten die Freiburger ab, nur einer kam auf das Bayer-Gehäuse. Die effektiven Leverkusener nutzten dagegen fünf ihrer zwölf Schüsse zu Toren.
Quelle: sportschau.de