Jupp Heynckes wechselt und siegt

  • ES BERICHTEN FRANK LUßEM UND OLIVER BITTER


    Die freien Tage sind angefüllt mit Arbeit. In einem Kölner Studio spielt Stefan Kießling (25) in diesen Tagen Model. Für Vertragspartner Adidas shootet er gemeinsam mit anderen Nationalspielern. Dass er aktuell höchstens einer im Wartestand ist, beschäftigt andere mehr als ihn. Und denen sagt er: „Sorry, aber ich kann diese Fragen nicht mehr hören. Weil ich nichts darauf antworten kann.“ Die einzig stichhaltigen Argumente gibt Kießling auf dem Rasen und hilft Bayer auf diese Art, verloren gegangene Reputation wiederherzustellen. Das Team präsentiert sich so spielfreudig, wie man es von der Vorrunde 2008/2009 kennt, sogar noch eine Spur cleverer, abgeklärter. Zwar bezwang man noch keinen Gegner aus der obersten Etage der Liga, doch Kießling führt an: „Mainz hat die Bayern besiegt, Freiburg in Schalke gewonnen. Wir haben gegen keinen verloren.“ Und angesichts der bevorstehenden Aufgabe beim Meister in Wolfsburg sagt Stürmer-Kollege Eren Derdiyok (21) keck: „Was ich in der kurzen Zeit gelernt habe: Du kannst gegen jeden Gegner verlieren. Aber eben auch gewinnen.“


    Jupp Heynckes (64) hält sich fern von jeder Euphorie. Des Trainers Analyse fällt nüchtern aus und orientiert sich an den Gegebenheiten: „Der Erfolg verteilt sich auf viele Schultern.“ Soll heißen: Der Kader gibt einiges her, der Trainer nutzt es gerne. Er zeigt sich wechselwillig und liegt meist gut damit, weil die Qualität auch bei denen stimmt, die beim Anpfiff auf der Bank sitzen: „Gegen Freiburg waren die Wechsel mitentscheidend für den Sieg, gegen Bochum genauso“, sagt Heynckes. Treffend: Vidals frühe Auswechslung beim Aufsteiger (Schwaab kam auf die rechte Defensivseite, Castro rückte ins Mittelfeld) stabilisierte das Team und machte der Freiburger Überlegenheit ein Ende. Am Samstag kam Toni Kroos für Vidal, brachte neuen Schwung, wich im Wechsel mit Renato Augusto auf die rechte Seite aus, von der er schließlich den Siegtreffer mustergültig vorbereitete, dazu noch eine große Chance für Derdiyok auflegte. Kroos ist nah dran an der Startelf, wobei Fans und Fachleute bei der Bewertung des Talentes häufig vergessen, dass er in der vergangenen Saison noch A-Jugend hätte spielen können. Der Rucksack, der ihm einst von Bayern-Manager Uli Hoeneß umgebunden wurde („Die Nummer 10 ist für ihn reserviert!“) ist seit vergangenem Samstag ein wenig leichter: Da präsentierte sich Arjen Robben mit der „magischen Nummer“. Und Leihgabe Kroos kann wieder ein Stückchen befreiter von den Erwartungen seines Münchner Stammvereins aufspielen.




    NACHGEFRAGT
    „Es hat keiner am Sieg gezweifelt!“


    kicker: Herr Adler, Ihr Fazit nach dem besten Start der vergangenen zehn Jahre?


    René Adler (25): Vorne spielen wir gut, hinten stehen wir solide, solch ein Gegentor kann passieren.


    kicker: Es gab Zeiten, da bedeutete ein 0:1 fast sicher die Niederlage. Warum ist das heute nicht mehr so?


    Adler: Diese Mannschaft hat einen anderen Charakter. Es hat keiner einen Moment daran gezweifelt, dass wir heute als Sieger vom Platz gehen. Das war in der vergangenen Saison nicht so.


    kicker: Sie erhielten eine Einladung zur Nationalmannschaft, Stefan Kießling nicht. War das ein Thema in der Kabine?


    Adler: Klar redet man darüber. Stefan ist in einer tollen Verfassung, das hat er heute eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ich kenne die Pläne des Bundestrainers nicht. Aber was soll Stefan machen? Es gibt nur eine Möglichkeit: Weiter so spielen wie heute.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 31.08.09