Keeper René Adler formuliert vor dem Länderspiel gegen Südafrika in der umgebauten BayArena in Leverkusen deutlich sein Ziel. Der Bayer-Torhüter akzeptiert, dass der Kollege Robert Enke vor ihm steht, will das aber ändern.
KÖLN - Ein Torhüter ist daran gewöhnt, seine Arbeit inmitten diplomatischer Turbulenzen zu verrichten. Er ist schließlich selbst als ehemaliger Ersatzmann Sieger gewesen in einem Prozess, der Schmerzen, Geräusche, Vorwürfe und Spannungen verursacht. So etwas darf einen Torhüter nicht schrecken, erst recht nicht, wenn er seine Berufung in die Fußball-Nationalmannschaft nur als Etappe betrachtet. „Als Sportler strebt man das höchstmögliche Ziel an“, erklärt René Adler am Mittwochmittag im Kölner Gürzenich, „in meinem Fall ist das die Nummer 1.“
Es wäre möglich, so einen Ausspruch in der immer noch andauernden Verbalschlacht um den Platz im deutschen Tor als „Kampfansage“ zu bezeichnen. Aber es wäre völlig falsch. René Adler wirkt wie ein Mann, der Ansprüche ausschließlich an einen stellt: sich selbst. „Nur dabei zu sein, genügt mir nicht“, erklärt der 24-Jährige vor dem Länderspiel gegen Südafrika (Samstag, 20.45 Uhr, live im ZDF), bei dem ihm auch das Leverkusener Heimrecht zu einem Einsatz verhilft.
Adler freut sich darauf: „Ich will dem Bundestrainer zeigen, dass er sich auf mich verlassen kann.“Man könnte das als Länderspiel zweiter Klasse sehen, weil der Einsatz für René Adler mit der Gewissheit verbunden ist, dass er in allen folgenden WM-Qualifikationsspielen dem Kollegen Enke aus Hannover wieder den Vortritt lassen muss. Der Leverkusener beteuert, dass er das nicht so empfindet. „Ich habe mir angewöhnt, immer nur das nächste Spiel zu sehen. Alles andere bringt nichts. Damit bin ich immer gut gefahren, daran werde ich auch nichts ändern.“ Vielleicht ist es diese Sichtweise, die ihm hilft, die mittelfristige Entscheidung des Bundestrainers für Enke zu akzeptieren. „Da gilt das Leistungsprinzip“, sagt Adler, „da muss man Sportsmann sein. Robert hat in der WM-Qualifikation sehr gut gehalten, deshalb ist dies eine nachvollziehbare Entscheidung. Aber bis zur WM ist es noch weit. Da kann alles Mögliche passieren, leider auch Verletzungen und Formschwankungen.“
René Adler hat trotz seiner erst vier Länderspiele all das schon erlebt im Tor der Nationalmannschaft. Beim 2:1-Sieg über Russland, als er durch Enkes Verletzung zum Einsatz kam, wurde seine Leistung im Überschwang des Siegesgefühls als Weltklasse gefeiert. „Das war ein Ereignis, das sich als großer Rahmen dazu eignete, schöne Geschichten zu schreiben“, beschreibt der Torhüter das Ereignis ein Jahr später mit größtmöglicher Distanz. Beim 1:0 über Wales vier Tage später machte er eine ordentliche Figur. Zur 1:2-Niederlage gegen England hat der Leverkusener dann im vergangenen November mit einem groben Fehler seinen Teil beigetragen. „Da sah ich unglücklich aus“, gibt er zu. Die furchtbare Rückrunde mit der Werkself und eine Verletzung ausgerechnet vor seinem Heim-Länderspiel in Leipzig gegen Liechtenstein („das war besonders bitter“) haben Adler dann aus dem Kader befördert. Und dann kam das erste Länderspiel der Saison - und René Adler war nicht mit dabei in Aserbaidschan.
Heynckes sein größter Fürsprecher
Mehr Erfahrungen kann einer in solch kurzer Zeit kaum machen. Aber Adlers Naturell und das Umfeld bei Bayer 04 helfen ihm, in solch schweren Momenten die Ruhe zu bewahren. „Ich habe mich auch nicht gefreut, als ich nicht eingeladen wurde“, gibt der gebürtige Leipziger zu, „aber dann muss man halt wieder rausgehen und fighten, im nächsten Training und im nächsten Spiel alles versuchen, das zu ändern.“ Falls ihm kurz mal das Selbstbewusstsein ausgehen sollte, hat René Adler einen angesehenen Fürsprecher, der es ihm wieder einhaucht. Sein Leverkusener Trainer Jupp Heynckes (64) hat sich zuletzt, mehr als es die übliche Vereinsunterstützung vorschreibt, als Fan des blonden Athleten zu erkennen gegeben. „René ist aufgrund seines Intellekts und seiner Physis ein Top-Mann, dem die Zukunft im deutschen Tor gehört, und zwar die nahe Zukunft“, erklärte Heynckes. Adler hat das gut getan: „Wenn ein Trainer mit solch großer Erfahrung das sagt, ist das etwas Besonderes, es hilft einem schon sehr.“ Auch dabei, ein wenig ruhiger zu bleiben als andere.