René Adler: „Dass Enke vorn steht, ist nur eine Momentaufnahme“

  • Leverkusens Torhüter über den Konkurrenzkampf im Nationaltor


    kicker: Rückkehr nach sieben Monaten. Was empfinden Sie vor Ihrem Comeback, Herr Adler?


    René Adler (24): Freude, ganz klar. Ich bin froh, wieder bei der Mannschaft zu sein und die Stimmung mitnehmen zu können. Und für sein Land auflaufen zu können, ist für jeden Sportler das Größte.


    kicker: Hatten Sie die Sorge, im Kampf um die Nummer 1 ins Hintertreffen zu geraten?


    Adler: Angst überhaupt nicht. Ich war ja im März in Leipzig auch dabei, konnte aber verletzungsbedingt gegen Liechtenstein nicht spielen. Bei der Asienreise fehlte ich wegen des DFB-Pokalfinales. Nur zuletzt in Aserbaidschan wurde ich nicht nominiert. Das habe ich akzeptiert, aber trotzdem an mich geglaubt. Ich weiß, was ich kann.


    kicker: Vor knapp einem Jahr feierten Sie gegen Russland ein viel beachtetes Debüt. Sind Sie damals zu schnell hochgejubelt worden?


    Adler: Darauf hatte ich ja keinen Einfluss, das geschah ohne mein Zutun. Ich habe mich schon damals bewusst von dem Hype um meine Person entfernt und mir gesagt: Bis Südafrika ist es ein weiter Weg, in diesem schnelllebigen Geschäft musst du Spiel für Spiel deine Leistung abrufen. So handhabe ich es auch jetzt, ich weiche da nicht von meiner Linie ab.


    kicker: Gegen England unterlief Ihnen ein Fehler, danach ging es mit Leverkusen bergab. Was nehmen Sie aus dieser Krise mit?


    Adler: Ich war ja nicht so blauäugig zu glauben, immer nur fehlerfrei spielen zu können. Ich war schon Realist in den zwei Jahren davor, als mir von allen Seiten auf die Schulter geklopft wurde. Und deshalb hatte ich auch kein Problem damit, als ich erstmals Gegenwind spürte.


    kicker: Joachim Löw fordert von Ihnen wieder mehr Konstanz.


    Adler: Dass die Schwächephase des Vereins nicht spurlos an mir vorüberging, ist ja klar. Da war auch meine Leistung nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Aber ich denke, dass ich in dieser Saison wieder konstant auf einem sehr hohen Niveau spiele.


    kicker: Wie gehen Sie mit diesem Torwart-Vierkampf um?


    Adler: Grundsätzlich braucht ein Torwart Vertrauen und muss gestärkt werden, um Topleistungen zu bringen. In der Nationalmannschaft ist es eben so, dass sich der Bundestrainer auf vier WM-Kandidaten festgelegt hat. Diese Situation ist unveränderbar, diesen Konkurrenzkampf gilt es anzunehmen. Ich muss in jedem Spiel und in jedem Training versuchen, dem Bundestrainer zu zeigen: Hier bin ich, auf mich kann er bauen.


    kicker: Wo sehen Sie sich im Ranking mit Enke, Neuer und Wiese?


    Adler: Das müssen andere beurteilen. Robert Enke hat sicher die Nase vorn. Er hat zuletzt sehr gut gespielt, und da es nach dem Leistungsprinzip geht, ist es völlig normal, dass er vorn steht. Aber es ist eine Momentaufnahme.


    kicker: Ist Ihr primäres Ziel, überhaupt erst einmal die WM-Nominierung zu erreichen?


    Adler: Ich strebe nach dem Höchstmöglichen. Wenn ich Nummer 1 werden kann, möchte ich auch die Nummer 1 werden.


    kicker: Wie ist der Umgang unter den vier Torhütern?


    Adler: Absolut kollegial, da ist kein Stinkstiefel dabei. Mit Robert Enke war ich bei der EM zusammen, mit ihm verstehe ich mich auch privat sehr gut.


    kicker: Sind Sie so stark wie 2008?


    Adler: Ich denke, ich habe mich weiterentwickelt.


    kicker: In welchen Bereichen?


    Adler: Im Verein bin ich in der Hierarchie aufgestiegen, nehme als Führungsspieler eine gewichtigere Rolle ein. Und das bereichert auch mein Torwartspiel.


    kicker: Was bedeutet Hierarchie?


    Adler: Ich bin der Ansicht, dass jede Mannschaft eine Hierarchie braucht, um erfolgreich sein zu können. Und diese Hierarchie sollte von jedem Spieler respektiert und eingehalten werden.


    kicker: Wer sind die Führungsspieler in der Nationalmannschaft?


    Adler: Miro Klose, Per Mertesacker, Philipp Lahm. Aber der absolute Leader ist Michael Ballack, er puscht die Mannschaft, er spricht die Dinge an. Zu ihm können andere aufschauen.


    kicker: Die Länderspiele sind für dieses Jahr verteilt. Ihr Comeback ist demnach auch das Abschiedsspiel für 2009.


    Adler: Es zählt ohnehin nicht das eine Länderspiel, ich kann mich außerdem in der Bundesliga Woche für Woche zeigen.


    kicker: Wann sollte die Torwart-Entscheidung getroffen werden?


    Adler: Ich nenne kein Datum, aber ich bin der Meinung, dass dies in einem größeren Zeitraum vor der WM passieren sollte. Denn die Hintermannschaft muss sich einspielen. Die Abwehrspieler müssen wissen, wie der Torhüter agiert. Diese Automatismen müssen sich entwickeln, das benötigt Zeit.


    kicker: Tim Wiese hatte Bedenken, dass er bei einer Nominierung in Ihrem Stadion ausgepfiffen werden würde. Eine berechtigte Sorge?


    Adler: Er wird sich etwas gedacht haben, als er das sagte. Aber es ist nicht meine Aufgabe, Tims Gedankengänge zu bewerten.
    INTERVIEW: OLIVER HARTMANN





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 03.09.09