Bayer-Star Helmes will seinen Kreuzbandriss so schnell auskurieren wie Matthäus 1992. Er droht den Sturmkollegen in Verein und Nationalelf
Von Marco Fenske
SPORT BILD: Herr Helmes, zuerst möchten wir Ihnen gratulieren.
Patrick Helmes (25): Wozu denn? Geburtstag hatte ich am 1. März.
Den meinen wir auch nicht Wir haben von dem Test gehört ...
Stark, oder? Der Krafttest zeigt: Mein linkes Knie hat nur noch ein Defizit von 15 Prozent im Vergleich zu meinem starken rechten. Nur 15 Prozent! Andere haben drei Monate nach einem Kreuzbandriss noch ein Defizit von 40 Prozent.
Das klingt positiv: Weiß Ihr Trainer Jupp Heynckes Bescheid? Am Sonntag kommt Bremen.
(lacht) Langsam, langsam! Wer es übertreibt, kriegt am Ende die brutale Quittung. Jetzt fange ich erst mal an, mit dem Ball zu arbeiten - das ist der nächste Schritt. Endlich wieder kicken!
Im Juni zogen Sie sich beim Privatspiel mit Freunden die schwere Verletzung zu. Werden Sie wieder mit Kumpels kicken?
Klar! Nach dem 34. Spieltag fällt es mir schwer, einfach nach Hause fahren und wochenlang hinter keinen Ball mehr zu treten. Was soll ich machen? Mich an den Rand setzen, wenn meine Kumpels kicken? Nein. Das passt nicht zu mir.
Lothar Matthäus stand 1992 fünf Monate nach seinem Kreuzbandriss wieder auf dem Platz. Schaffen Sie das auch?
(rechnet) Das ist mein Ziel. Das wäre Mitte November. Passt!
Sie wirken euphorisch. Dabei hatten Sie beim letzten Interview mit SPORT BILD noch gesagt: „20009 wird mein wichtigstes Jahr.“ Es folgte erst der Absturz mit Bayer Leverkusen, dann die Verletzung. Ist das für Sie nicht frustrierend?
So ticke ich nicht. Meine Mutter war traurig und hat auch geweint, als sie es erfahren hat. Ich war gefasst. Denn schon vor der Operation stand für mich fest: Ich komme wieder - noch stärker, noch besser.
Ihre Sturm-Kollegen bei Bayer, Stefan Kießling und Eren Derdiyok, harmonieren gut. Haben Sie keine Angst, dass Ihr Stammplatz futsch ist?
Die beiden machen das richtig gut. Aber wenn ich fit bin, spiele ich. So überzeugt bin ich von mir.
Kießling stand zuletzt trotz überragender Form nicht im Kader der deutschen Nationalmannschaft. Mitleid?
Er wird nicht zu Hause gesessen und geheult haben. Es ist ärgerlich für ihn, klar. Aber er kriegt seine Chance noch. Kies rennt sich immer die Lunge aus dem Hals, er ist mit seiner Spielweise einmalig.
Und warum sind Sie einmalig?
Hallo? Ich bin ein Kopfball-Ungeheuer! Wie viele Tore habe ich letzte Saison noch gleich per Kopf erzielt? Ach ja, kein einziges. (lacht)
Ganz im Ernst: Wie schätzen Sie Ihre WM-Chancen ein?
Gut. Ich habe noch genug Zeit, um mich zu beweisen. Und das werde ich auch tun. Ganz sicher.
Ja oder nein? Leverkusen ist an guten Tagen die spielstärkste Mannschaft der Liga.
Ja.
Was fehlt noch zum großen Coup?
Ich habe es an mir gesehen: hopp oder top. Letzte Saison gab es viele richtig starke Spiele, aber auch einige total miese. Diese Schwankungen hatten alle, das müssen wir in den Griff kriegen. Alle sind jung, alle brennen. Uns muss man bremsen. Jupp Heynckes macht das.
Wie meinen Sie das?
Ich weiß, dass Spieler Extra-Läufe machen wollten. Jupp Heynckes hat es ihnen verboten. Wichtig sei, dass man Samstag fit ist.
Ist Ex-Trainer Bruno Labbadia an fehlender Erfahrung gescheitert?
Das kann ich nicht beurteilen, bei uns hat am Ende einfach nichts mehr gepasst. Aber ich habe immer gesagt, dass er mal ein richtig guter Trainer wird. In Hamburg hat er mit Rost, Jarolim, Ze Roberto erfahrene, gestandene Spieler. Das hilft enorm weiter.
Thema Klubwechsel. Wären Sie im Sommer zum VfB Stuttgart gegangen, hätten Sie sich nicht verletzt?
Nein. Es gab Kontakt, ja. Diese Frage hat sich auch deshalb nie ernsthaft gestellt, weil ich mich ja schon wenige Tage nach meinem Ibiza-Urlaub verletzt habe. Ich fühle mich wohl hier.
Haben Sie eine Ausstiegsklausel in Ihrem Vertrag?
(schmunzelt) Weiß ich nicht.
Sie kennen Ihren Vertrag nicht?
Sehen Sie: Viele Spieler haben solch eine Klausel. Wenn einer wirklich weg will, dann kann er auch weg. Das ist bei mir so, das ist bei anderen so.
Stimmt es, dass Sie von England träumen?
Richtig. Zuletzt habe ich mit Michael Ballack darüber geredet. Er hat richtig geschwärmt und mir geraten, irgendwann diesen Schritt zu gehen, wenn ich die Chance kriege. Aber erst mal...
Ja, bitte?
Ich habe einen Vertrag bis 2013, und ich denke nur in Etappen: Erst das Comeback, dann Vollgas mit Bayer, dann zur WM nach Südafrika — das sind doch schon drei große Ziele.
Quelle: SportBild-Printausgabe vom 16.09.09