VON UDO BONNEKOH - zuletzt aktualisiert: 17.10.2009 - 02:30
Vor einem Jahr mischte Bruno Labbadia als Coach von Bayer Leverkusen die Liga auf. Jetzt steht er beim Hamburger SV unter Vertrag. Heute treffen beide Teams in Hamburg im Bundesliga-Spitzenspiel aufeinander.
Nein, nein, da fällt kein böses Wort. Atmosphärisch alles in Ordnung vor dem Bundesliga-Hit des Tages in Hamburg zwischen dem HSV und Bayer, kein Getöne, nur keine Provokation, bloß kein marktschreierisches Ballyhoo. "Warum auch sollten wir etwas Negatives sagen, wenn es nichts Negatives zu sagen gibt", erklärt Rudi Völler mit fester Stimme. Der bisweilen zum Diplomatenberuf neigende Sportdirektor tritt damit dem Eindruck entgegen, als sei man in Leverkusen vorm heutigen Rendezvous mit Bruno Labbadia im früheren Volkspark intensiv mit kosmetischen Operationen beschäftigt. Keine hässlichen Narben also, die nach heftigen Irritationen im Mai bei der Trennung von Bayer und dem Trainer wenige Tage nach dem mit 0:1 gegen Bremen verlorenen Pokalfinale entstanden sind und jetzt fein geglättet werden müssen vorm Wiedersehen?
"Da ist nichts geblieben", sagt Völler, "was mich damals nur sehr gestört hat, war der Zeitpunkt dieses Interviews vorm Endspiel und das darin von Labbadia verbreitete Klischee, dass man speziell in Leverkusen in einer Komfortzone lebe. Komfortzonen gibt es nämlich überall, und die müssen Spieler auch haben, um sich zurückzuziehen." Längst vergessen scheint nun auch, dass die Leverkusener mit Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser an der Spitze noch wenige Stunden vor dem Duell mit den Bremern im Olympiastadion eine sehr emotionale Diskussion darüber geführt haben, Labbadia sofort die Verantwortung zu entziehen. Und Stoff für die Historie ist zudem, dass Konzernchef Werner Wenning bis zuletzt versucht hat, den damaligen Bundesliga-Novizen im Amt zu halten, weil sich der Bayer-Boss sträubte gegen den Trend der Branche, den beim wankelmütigen Personal missliebigen Coach stets zu entsorgen.
Inzwischen erfreuen sich Hamburger wie Leverkusener am Stand der Dinge nach der Zäsur am Ende der vergangenen Saison und loben sich gegenseitig. "Die Leverkusener", sagt Labbadia heute, "haben sich geschickt verstärkt. Sie haben das Zeug zum Meister, weil sie in der Defensive stabiler geworden sind. Das hätte ich mir damals schon gewünscht." Völler und auch Jupp Heynckes, der jetzt das Sagen hat in der BayArena, preisen das, was der junge Nachfolger von Martin Jol in der Hansestadt auf die Beine gestellt hat. "Der Bruno", bekräftigen beide, "ist ein guter Trainer, der aber erst noch seine Erfahrungen sammeln muss. Und an der Qualität des HSV gibt es überhaupt keinen Zweifel."
Stur ist Labbadia seinerzeit in seiner ersten Stelle im Fußball-Oberhaus gewesen. Sein unverrückbares Credo: "Ich gehe meinen Weg, da kann kommen, was will." Dass ihm, als er seine physischen wie psychischen Anforderungen ans Personal ins fast Maßlose steigerte, niemand mehr folgte, hat ihn zu spät oder gar nicht berührt. Für den 43-Jährigen, der sich in Hamburg offenbar ein Stück Flexibilität angeeignet hat, bedeutete Leverkusen auch eine Erziehungsanstalt für seiner Ansicht nach verweichlichte Profis ohne ausreichende Disziplin, Demut und Beklastbarkeit.
"Mit Herrn Heynckes ist bei uns Ruhe eingekehrt, wir profitieren alle von seiner Erfahrung. Er genießt aufgrund seiner Erfolge als Trainer bei allen großen Respekt", sagt Simon Rolfes, der Mannschaftsführer. Und auch er versagt sich einem Rückblick – womöglich gar einen im Zorn. "Herr Labbadia ist vor diesem Spiel kein Thema bei uns, wir spielen gegen den HSV und nicht gegen unseren früheren Trainer", betont der Schlaks, der sich im Moment auf der Höhe seiner Schaffenskraft zu befinden scheint.