Immer wieder spotten Fans anderer Vereine über die geringe Anzahl von Bayer-Fans. Aber auch innerhalb der Leverkusener Fan-Szene gibt es regelmäßig Unzufriedenheit über den Support, vor allem bei Heimspielen. Hier soll nun ein Erklärungsansatz erfolgen, der nicht als Rechtfertigung irgendjemandem gegenüber dient sondern lediglich eine nüchterne Erklärung für die Gegebenheiten bietet.
Wir (Leverkusener) wissen alle, dass unser Verein entgegen aller Hohngesänge und Spötteleien anderer Fans eine gewisse Tradition aufweist. Tradition kann nicht mit Titeln gleichgesetzt werden sondern ergibt sich aus dem langjährigen Bestehen und gewachsenen Strukturen eines Vereins. Und das haben wir zweifellos zu bieten. Was wir jedoch nicht besitzen und das ist auch mitentscheidend für unsere kleine aber feine Szene: Wir waren nicht auf der Bildfläche als in den 60er und 70er-Jahren mit Einführung der 1. Bundesliga grundlegende Fan-Potenziale gesetzt wurden. Zwar gab es schon zu dieser Zeit Vereine wie den FC Schalke 04, der mit seinen diversen Meisterschaften aus den 30er-und 40er-Jahren für Begeisterung im Ruhrgebiet sorgte und damit auch eine Fan-Generation an sich band, doch die vor allem durch die Vermarktung und Medienpräsenz der 1. Bundesliga sowie den sich später ergebenen Europapokal-Spielen geschaffene Begeisterung der 60-er und 70er sowie der frühen 80er-Jahre stellte diese frühe Fan-Bindung noch in den Schatten.
Als Bayer Leverkusen nach einigen Jahren in der Regional- und Oberliga in der Saison 1975/1976 in die 2. Bundesliga aufstieg, gab es, außer für die schon zu dieser Zeit eingefleischten (allerdings verschwindend wenigen) Bayer-Fans, keinen Grund, sein Fußball-Herz an unseren Verein zu vergeben. Vielmehr fieberte man als Fan diese Sportart mit den damals überragenden Teams aus Mönchengladbach oder München mit, die mit ihren herausragenden Spielern nicht nur das Gros der Nationalmannschaft stellten, die 1972 Europameister und 1974 sogar Weltmeister wurde, sondern auch das Vorbild vieler Jungs wurde.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass wir beim Fußball auf der Straße (Ja, das war damals in den 70ern noch möglich...) immer Spieler aus M`gladbach oder München sein wollten, weil diese Erfolge hatten und unserer Meinung nach die Besten waren. Wir hatten also damals schon unsere Fan-Herzen an diese Klubs vergeben. Einige „Exoten“ hingen aber bereits am FC Köln an, größtenteils durch ihre Väter, die zu dieser Zeit den emotional am nächsten liegenden Verein aus der Nachbarstadt favorisierten. Ebenso gab es vereinzelt Anhänger von Fortuna Düsseldorf oder Schalke 04.
Hier eine Bitte an die Fans, die wie ich in den 60ern geboren wurde: Erinnert euch doch mal daran, wie´s bei euch war...Habt ihr bei den im TV übertragenen Länder- und Europapokalspielen nicht auch immer mit besonderen Spielern und Vereinen mitgefiebert? Ich wollte immer Beckenbauer sein, weil der so unglaublich lässig war; also war ich als Steppke auch Fan von Bayern München....
Dann tauchte also Bayer Leverkusen 1975/1976 in der 2. Bundesliga auf. Der eine oder andere aus Leverkusen ging ins Stadion, um sich dort, in Fuß- oder Fahrrad-Nähe, einigermaßen hochklassigen Fußball anzusehen. Idole waren aber dennoch in der Regel die Fußballer der damals so erfolgreichen Vereine wie M´gladbach oder München. Selbst als Bayer 1979 in die 1. Bundesliga aufstieg, gab es viele Jungs in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die zwar als Leverkusener mit dem hiesigen Verein sympathisierten aber in erster Linie immer noch Fan eines anderen Klubs waren. Wie hier schon in anderen Forums-Bereichen regelmäßig gepostet wurde: Man wird eben nicht einfach Fan eines anderen Vereins.
Um es wirtschaftlich auszudrücken: Als Bayer in die 2. und später in die 1. Bundesliga aufstieg, war das Potenzial an Fans bereits abgeschöpft. Und da es vor allem im doch sehr emotional behafteten Dasein eines Fußball-Fans auch so etwas wie eine Vererbung des Fan-Seins von einer Generation zur nächsten gibt, sah´s für Leverkusen düster aus. Es gab noch keine echte Fan-Generation, die dem Nachwuchs etwas vererben konnte. Im Gegensatz zu München, M´gladbach, Köln, D´dorf, Schalke, Dortmund,...
Erst in der Zeit von Calli wurden meines Erachtens nach und nach die Grundlagen dafür gelegt, dass in Leverkusen junge Leute zum Bayer „gelockt“ wurden; manche sagten, Calli würde Fans züchten... Wie man´s auch nennt, es kam Bewegung in die Szene. Mittlerweile gibt es die zweite Generation echter Fans im Stadion, die zahlenmäßig aufgrund der dünn besetzten ersten „echten“ Generation zwar auch noch recht mager ist; dafür aber von etlichen neuen jungen Fans begleitet wird.
Für uns war auch die Zeit unter Toppi und Daum großartig, was die Fan-Akquise angeht. Auch wenn „wir“ Anfang der 2000er keinen Titel holten, konnten wir mit dem großartigen Fußball unseres Teams viele Menschen für Bayer begeistern und darunter auch sicherlich einige neue externe Fans gewinnen.
Wir werden in 20 bis 30 Jahren komplette Fan-Generationen in unserer Hütte haben, so wie es bei anderen Vereinen auch der Fall ist. Die reinen Sesselpupser-Stillhalte-„Hinsetzen-Brüller“ Fans werden weniger, hoffe und glaube ich. Dann wird auch die Gesamtstimmung eine andere sein. Und zwar so wie in den Stadien der oben erwähnten Klubs: Lasst dann mal einen unserer Spieler mies gefoult werden, egal vor welcher Tribüne (abgesehen von den VIPs). Wo heute nur 10 Leutchen (untertrieben) empört aufspringen (abgesehen vom Steh-Block...), wird dann ein Großteil der dort sitzenden Fans loslegen, denn diese sind selbst mal aktive Fans (wie ich auch) gewesen, und werden in diesen Momenten auch wieder zu aktiven Fans. Ansonsten ist´s halt so, dass man in der Regel mit Mitte 40 und einem sonst ausgefüllten Leben nicht mehr die Sau im Stadion rauslässt. Es sei denn, es passiert was Besonderes.
Die Mitt-40er, die selbst mal aktive Fans waren – also meine Generation -, ist zahlenmäßig schwach vertreten, weil es damals noch nicht viele Bayer-Fans gab. Dafür gibt es aber heute einige 1000 20er und Mitt-20er Fans. Wenn diese ihr Herz für den Bayer in den nächsten 20 Jahren behalten, sieht´s dann auch ganz anders im Stadion aus, was die Begeisterung angeht. Man wird zwar ruhiger im Alter (siebe vorheriger Absatz), aber man bleibt dennoch Bayer-Fan. Und der reagiert nun mal anders als der normale Fußball-Fan, der nur ein schönes Spiel sehen will, aber nicht mit Herz und Leidenschaft am Verein hängt.
Von mir bewusst außer acht gelassen, ist die Größe unserer Stadt. Wir sind zwar mit knapp 160.000 Einwohnern keine Großstadt, aber das ist M´gladbach auch nicht... Dort gibt es aber eine Erfolgsgeschichte, die uns noch fehlt. Etwas anderes ist da vielleicht noch der Fakt, dass Leverkusen im Gegensatz zu fast jeder anderen Stadt (Wolfsburg mal ausgenommen) keine gewachsene Stadt ist sondern ebenfalls erst eine junge Geschichte aufweist. Es gab in den 60ern und 70ern nicht viele echte, alte Leverkusener, die sich als echte Leverkusener fühlten. Es gab Opladener (die ja erst später zwangsweise zu Leverkusener wurden) , es gab Schlebuscher und Manforter, Wiesdorfer und...; das Gefühl für Leverkusen kam erst später auf.
Außerdem sind sehr viele Menschen nach dem Krieg erst nach Leverkusen der Arbeit wegen gezogen, hatten ihre Wurzeln woanders und das spiegelte sich auch im Fußball-Interesse wieder.
In diesem Sinne: Lasst was von euch lesen und vererbt eure Leidenschaft weiter an die nächste Generation. Wir werden (irgendwann :levz1) Deutscher Meister, man muss nur Geduld haben...