"Ich bin nicht hier, um zu relaxen"

  • Topspiel Schalke vs Leverkusen


    "Ich bin nicht hier, um zu relaxen"
    Finnlands Fußball-Idol Sami Hyypiä im ZDFonline-Interview


    Ein ganzes Jahrzehnt Erfahrung und Erfolge beim FC Liverpool bringt Sami Hyypiä in seine neue Fußball-Heimat Leverkusen. Der 36-jährige Finne sagt bei ZDFonline, was Premier League und Bundesliga unterscheidet und was er mit Leverkusen gemeinsam hat.


    ZDFonline: Warum ist es so leicht für Sie, gegen deutsche Mannschaften zu spielen?


    Sami Hyypiä: Warum leicht?


    ZDFonline: Weil Sie in der Bundesliga noch kein Spiel verloren haben und auch nicht in der WM-Qualifikation mit Finnland gegen Deutschland.


    Hyypiä: Nein, es ist überhaupt nicht leicht. Als ich im Sommer in die Bundesliga gekommen bin, wusste ich schon eine ganze Menge über die Liga, und es ist alles andere als ein leichter Job für mich. Ich bin auch nicht hierhergekommen, um zu relaxen und um das Leben zu genießen. Ich arbeite hart daran, den Erfolg nach Leverkusen zu bringen. Überall, wo ich gespielt habe, habe ich hart gearbeitet. Das stellt mich zufrieden und hoffentlich dann die Fans in Leverkusen.


    ZDFonline: Sie haben jetzt zehn Spieltage in der Bundesliga hinter sich. Was ist ihr Eindruck?


    Hyypiä: Es ist so, wie ich es erwartet habe: Es gibt viele physisch starke Mannschaften mit vielen laufstarken Spielern. Die Bundesliga ist die Liga, die der englischen Premier League am nächsten kommt. Das gefällt mir persönlich natürlich. In Spanien oder Italien wird ein anderer Fußball gespielt. Allerdings wird man in der Premier League noch ein bisschen stärker mental und körperlich gefordert als in der Bundesliga. Doch die Unterschiede sind insgesamt nicht besonders groß.


    ZDFonline: Dafür ist die Bundesliga ausgeglichener.


    Hyypiä: Ja, neben Bayern München gibt es noch acht oder neun ähnlich starke Mannschaften, und das macht die Liga sehr interessant. Man hat es ja letzte Saison gesehen, als Wolfsburg die Meisterschaft gewonnen hat. In der Premier League kommen eigentlich nur vier oder fünf Mannschaften für den Titel in Frage.


    ZDFonline: In England haben Sie gegen und mit den besten Stürmern der Welt gespielt: Cristiano Ronaldo, Fernando Torres oder Didier Drogba. Wie schneiden Stürmer wie Stefan Kießling oder Claudio Pizarro im Vergleich ab?


    Hyypiä: Es gibt auch in der Bundesliga sehr viele gute Stürmer. Grafite ist sehr gefährlich, auch Dzeko oder Kuranyi. Es ist nicht so, dass ich es hier leichter habe. Der Unterschied liegt eher darin, dass die meisten Teams aus der Premier League auf fast allen Positionen mit Nationalspielern aus allen Ländern besetzt sind, meistens sind die Positionen sogar doppelt gut besetzt. Diese hohe Zahl an Nationalspielern haben die Bundesligisten nicht.


    ZDFonline: Sie haben Kuranyi genannt, Ihren nächsten Gegenspieler vom FC Schalke (Topspiel-Bilder gibt's am Samstag im aktuellen sportstudio!). Heißt das, dass Sie sich gründlich mit Ihren Gegnern beschäftigen?


    Hyypiä: Natürlich schaue ich mir im Fernsehen an, wie unserer Gegner spielen. Es ist immer gut, etwas über seine Gegner zu wissen. Viele Spieler kenne ich noch nicht, dann frage ich meine Mitspieler nach Stärken und Schwächen. Kevin Kuranyi kenne ich schon von Länderspielen. Aber wichtiger ist es, dass ich mich selbst auf mein Spiel und meine Aufgaben konzentriere.




    ZDFonline: Sie haben gesagt, dass acht oder neun Mannschaften Titelchancen haben. Auch Bayer Leverkusen?


    Hyypiä: Es ist jetzt viel zu früh darüber zu sprechen, wo wir im Mai nächsten Jahres landen. Das hängt stark von Verletzungen ab, wir müssen selbst gerade auf starke Spieler wie Simon Rolfes, Renato Augusto oder Patrick Helmes verzichten. Darum ist es wichtig, dass man gleichwertigen Ersatz hat. Unser Ziel ist auf jeden Fall wieder im europäischen Fußball zu spielen.


    ZDFonline: Apropos Verletzungen: Sie machen mit 36 Jahren einen topfitten Eindruck.


    Hyypiä: Ich hatte bisher das Glück, von schwerwiegenden Verletzungen verschont zu werden. Klar, mal eine Prellung oder Verstauchung, aber zum Glück nichts Ernstes.


    ZDFonline: Verhält sich der 36-jährige Sami Hyypiä heute anders im Training und Leben als früher der 19-jährige Jungprofi Sami Hyypiä?


    Hyypiä: Ich habe eigentlich immer normal gelebt und gegessen, also auf keine besondere Ernährung oder Diät geachtet. Natürlich kann man nicht jeden Tag Currywurst essen. Ich habe dazu das Glück, immer schlank zu bleiben. Die Erholungszeit nach Spielen wird allerdings länger für mich. Jupp Heynckes ist zum Glück ein erfahrener Trainer, der mir genügend Zeit gibt, zu regenerieren. Das hilft mir, am Wochenende wieder topfit zu sein. Ich muss nicht mehr wie ein 20-Jähriger trainieren.


    ZDFonline: Sie haben als Liverpool-Spieler gute und schlechte Erfahrungen mit Bayer Leverkusen in der Champions League gemacht.


    Hyypiä: 2002 sind wir im Viertelfinale ausgeschieden. Ich habe im Hinspiel sogar das 1:0-Siegtor geschossen. An das Rückspiel kann ich mich noch sehr gut erinnern, es war ein mitreißendes Spiel mit vielen Toren. Jari Litmanen hat in der zweiten Halbzeit auf 3:2 verkürzt, das hätte uns gereicht. Aber dann macht Lucio kurz vor Schluss das 4:2 und wir scheiden aus. Das war sehr enttäuschend, aber Leverkusen hatte damals eine sehr starke Mannschaft und hätte auch das Finale gewinnen können. 2005 haben wir dann beide Spiele gewonnen.


    ZDFonline: Seitdem kennen Sie Leverkusen etwas näher. Wie kam der Kontakt vor Ihrem Wechsel zustande?


    Hyypiä: Der erste Kontakt kam über meinen Berater, dann habe ich mich mit Rudi Völler und Michael Reschke getroffen. Außerdem habe ich mich bei Markus Babbel, Didi Hamann und meinem Mitspieler Philipp Degen, der schon Bundesliga gespielt hatte, über Leverkusen informiert. Alle haben sich positiv über den Verein geäußert. Dass es eine gute und junge Mannschaft sei, die einen erfahrenen Spieler gut brauchen könnten.


    ZDFonline: Sie haben eigentlich alles in Karriere gewonnen, nur keinen nationalen Meistertitel. Den können Sie auch nicht mit Leverkusen holen ...


    Hyypiä: (lacht) Ja, ich habe viel davon gehört, vielleicht bin ich dann hier genau richtig. Es wäre sicher schön für mich, wenn ich auch mal Meister geworden wäre, aber ich bin nicht böse darüber, was ich bisher erreicht habe. Aber keine Sorge, ich versuche auf jeden Fall noch einmal Meister zu werden, letztes Jahr hätte es mit Liverpool auch fast geklappt. Das wäre auch ein tolles Abschiedsgeschenk an die Fans von Liverpool gewesen.


    ZDFonline: Worin unterscheidet sich das Leben in Liverpool und Leverkusen?


    Hyypiä: Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Leben in Finnland und dem Leben in England. Und das Leben in Leverkusen ist irgendwo dazwischen. Ich kann unerkannt durch Köln gehen und einkaufen, das ist für mich viel entspannter als in England. Ich bin auch nicht der Typ, der den Rummel braucht und jeden Tag in der Zeitung stehen muss. Ich würde am liebsten ein Leben als ganz normale Person führen und nur am Samstag auf dem Platz im Fokus stehen.


    ZDFonline: Auch ihre Karriere wird in drei, vier Jahren enden. Haben Sie schon Ideen für die Zeit danach?


    Hyypiä: Ich kann mir sehr gut vorstellen, im Fußballgeschäft zu bleiben. Als Trainer oder Scout zum Beispiel. Vielleicht sogar in Deutschland. Ich habe in Finnland gespielt, in Holland und in England, alles ist vorstellbar. Aber am wichtigsten ist mir, dass ich dann endlich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen kann.


    Das Interview führte Stefan Kusche