Supertalent, Wunderknabe – das alles soll er sein. In einem seiner seltenen Interviews spricht TONI KROOS (19) über diesen Ruf, über Bayer, Bayern, Kahn, Hoeneß und die Nummer 10.
kicker: Toni Kroos, Sie machen im Topspiel auf Schalke ein Traumtor, aber für Leverkusen steht trotz eines 2:0 nur ein 2:2. Freuen Sie sich dennoch über den Kunstschuss?
Toni Kroos: Es war mein schönstes Tor im Profifußball, aber davon kann ich mir nichts kaufen. Die Enttäuschung überwiegt. Wir haben das Spiel aus der Hand gegeben, waren klar besser, haben die Konter aber unglaublich schlecht ausgespielt.
kicker: Interviews mit Ihnen finden sich eher selten. Was macht Sie so zurückhaltend?
Kroos: Wer bei den Bayern war, wird automatisch vorsichtiger. Da gibt es jeden Tag einen riesigen Medienauflauf und nach zwei Pleiten herrscht bereits Abstiegsstimmung. Da ist diese Zurückhaltung sicherlich auch ein bisschen Selbstschutz. Aber unabhängig davon bin ich ohnehin nicht der Typ, der pro Woche zwei Interviews geben muss.
kicker: Nach dem Motto „Lieber Taten als Worte“?
Kroos: Sie sprechen auf mein Ziel an, mehr Spielanteile zu bekommen.
kicker: Zum Beispiel.
Kroos: Die zu bekommen, war Sinn der Sache, aus München wegzugehen.
kicker: Wie weit ist München momentan entfernt?
Kroos: Ich spiele für Bayer Leverkusen. Da kann ich keinen Gedanken an die Bayern verschwenden.
kicker: Kein Blick zurück im Zorn? Haben Sie sich nicht einmal die Frage gestellt: Warum holen die Baumjohann und lassen mich gehen?
Kroos: Ich gehe mal davon aus, dass seine Verpflichtung meinen Abgang beschleunigte. Natürlich macht man sich seine Gedanken. Aber letztlich hat mir diese Entscheidung ja geholfen.
kicker: Das Trikot mit der 10, das Uli Hoeneß für Sie reservieren wollte, trägt nun Arjen Robben. Sauer?
Kroos: Mir persönlich hat Herr Hoeneß das nie gesagt. Und ehrlich gesagt war es für mich nie ein Thema, mit welcher Nummer ich in München auf der Bank sitze.
kicker: In Leverkusen tragen Sie die 39, spielen aber häufiger. Wie fällt die Zwischenbilanz aus?
Kroos: Eindeutig positiv. Ich wollte häufiger spielen und maximalen Erfolg mit der Mannschaft. In der Rückrunde der vergangenen Saison hat das mit den Spielanteilen auf jeden Fall geklappt, das mit den Erfolgen weniger. In dieser Saison klappt bislang beides ganz gut. Ich spiele oft und wir stehen in der Tabelle oben. Das ist okay.
kicker: Die Experten streiten sich über Ihre Position. Wo sehen Sie sich am liebsten?
Kroos: In der Mannschaft. Nein, Spaß beiseite: Meine Lieblingsposition ist die zentral hinter den Spitzen. Aber diese Position gibt es in Leverkusen nicht. Deshalb muss ich mich umschauen und sehen, wo ich am besten hinpasse. Und da favorisiere ich von meiner Spielweise her die linke Seite.
kicker: Als „Ausnahmespieler“ und „absolutes Talent“ bezeichnete Sie Ottmar Hitzfeld, für Oliver Kahn waren Sie „das Beste, was ich seit Jahren im Nachwuchsbereich gesehen habe“. Mehmet Scholl wollte bereits den 16-jährigen Toni Kroos zum Training der Profis holen. Sie wurden zum besten Spieler der U-17-Weltmeisterschaft 2007 gewählt – wie geht man mit diesem Lob um, das ja auch immer mit Erwartungen verbunden ist?
Kroos: Zunächst finde ich es schön, wenn solche Experten so etwas über mich sagen. Diese Aussagen machen mir auch keinen Druck. Aber ich verspüre schon eine gewisse Verpflichtung. Oliver Kahn hat das ja nicht nach dem ersten Training gesagt und danach nie wieder. Er hat das gesagt, nachdem wir ein halbes Jahr oder so miteinander trainiert hatten. Da steckt also etwas dahinter. Und dem versuche ich gerecht zu werden.
kicker: Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden stagnieren und nicht immer so am Spiel teilnehmen, wie es Ihrem Können entspricht. Was entgegnen Sie diesen?
Kroos: In jedem Spiel Top-Leistung abzurufen – das geht nicht! Bei mir ist es so: Wenn ich weiß, dass ich spiele, auch dann spiele, wenn ich mal zwei nicht so gute Leistungen gezeigt habe, dann verspüre ich das Vertrauen, das ich brauche. Und dann kommt die Konstanz automatisch. Ansonsten sage ich: Was ich bisher gezeigt habe, ist für einen 19-Jährigen absolut okay.
kicker: Der Leihvertrag mit Bayer läuft im Sommer aus. Wie sieht Ihre Karriereplanung aus?
Kroos: Zunächst fand ich es ungewöhnlich, dass Bayer mich im Januar so kurz vor Ende der Transferperiode geholt hat. Anfragen hatte ich ja schon vorher viele. Aber keine Freigabe. Die kam dann ganz plötzlich und Bayer ist drangeblieben. Obwohl ich verletzt war und die Bayern sich eine Rückholklausel für den Sommer einbauen ließen, haben sie das durchgezogen. Das hat mir gefallen. Wie es im kommenden Sommer weitergeht, liegt nicht bei mir. Ich habe in München einen Vertrag bis 2012, der FC Bayern entscheidet.
kicker: Gab es bereits Signale?
Kroos: Nein, keine.
kicker: Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das?
Kroos: Gute Frage! Mir bleibt nichts, als möglichst erfolgreich und gut zu spielen. Dann sehen wir weiter.
kicker: Theoretisch wäre auch ein Wechsel zu einem anderen Klub möglich?
Kroos: Theoretisch ist vieles möglich. Auch das.
kicker: Arbeiten Sie deshalb erstmals in Ihrer Karriere mit einem Berater zusammen?
Kroos: Es gab ja schon viele Anfragen diesbezüglich. Mein Vater, mein Bruder Felix und ich haben uns dann für die Zusammenarbeit mit der Kölner Agentur „Sports Total“ entschieden, weil das Gesamtpaket stimmte. Was mir da gefällt, ist, dass der Geschäftsführer Volker Struth und sein Team sehr oft rausgehen zum Training und mir ihre Eindrücke schildern.
kicker: Lassen Sie sich etwas sagen?
Kroos: Auf jeden Fall. Allerdings nicke ich nicht alles ab, da werden die Meinungen schon ausgetauscht.
kicker: Von Beginn an wurden Sie und Ihr 14 Monate jüngerer Bruder Felix, der für Hansa Rostock spielt, von Ihrem Vater sportlich begleitet. So etwas kann Probleme bringen. Wie war es bei Ihnen?
Kroos: Mein Vater ist besonders kritisch. Er hat es uns nie leicht gemacht, viel gefordert und uns von Anfang an klargemacht, dass wir mehr tun müssen. Deshalb haben wir viel zusätzlich gearbeitet. Das war sicherlich mitunter nervig, aber das Ergebnis ist positiv, kann sich bei beiden sehen lassen. Und das ist entscheidend. Ich bin meinem Vater sehr, sehr dankbar.
INTERVIEW: FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 02.11.09