Gibt es in der Bundesliga überhaupt eine richtige Spitzenmannschaft? Das fehlerlastige 2:2 zwischen Schalke 04 und Bayer Leverkusen spricht dagegen
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René Adler hat einen kleinen Tick. Wenn der Torhüter von Bayer Leverkusen die unerfreulichen Dinge seines Fußballerlebens erläutert, geraten seine Stirnmuskeln in Bewegung, in kurzen Intervallen zieht er seine Augenbrauen nach oben. "Ärgerlich" sei dieses 2:2 bei Schalke 04, sagte Adler, "wenn man 2:0 führt und so souverän auftritt, darf so etwas nicht passieren." Es war eine Menge los im Gesicht von Deutschlands Nummer eins. Denn eigentlich glaubten die Leverkusener, endlich die richtige Haltung für solche Situationen erworben zu haben, doch an diesem Abend waren sie am Ende mitgerissen worden von der wilden Schalker Abenteuerfahrt ins Ungewisse. Was nicht zuletzt daran lag, dass Bayer Leverkusen seinen umsichtigen Steuermann verloren hatte.
"Wäre Hyypiä nicht ausgewechselt worden, hätten wir dieses Spiel gewonnen, da bin ich mir ganz sicher", meinte Adler. Die Abhängigkeit der Leverkusener von ihrem Abwehrchef ist frappierend. Hyypiä war zwanzig Minuten vor dem Ende umgeknickt, "ich habe noch ein bisschen weiter gespielt und gehofft, dass das Problem verschwindet", berichtete der Finne später. Der Schmerz blieb, der Routinier ging, und Schalke erzielte zwei späte Tore (Kuranyi, 83., Sanchez, 88.). Hyypiä-Ersatz Lukas Sinkiewicz wirkte bei beiden Gegentreffern allerdings ziemlich indisponiert.
Sogar Adler, der Held von Moskau, hatte sich verunsichern lassen von der Auswechslung, bei beiden Gegentoren agierte er zu unentschlossen. "Wir dürfen uns nicht immer nur auf einen Mann verlassen", sagte der Torhüter, im Übereifer hatte er beim Ausgleichstor zu viel riskiert und war am Ball vorbei geflogen. Auch in Hyypiä brodelte es, doch er hielt sich höflich zurück mit Kritik an den Mitspielern. "Ziemlich angepisst" sei er, erklärte der Defensivorganisator, "das einzig Positive ist, dass wir immer noch Tabellenführer sind".
Das ist in der Tat erstaunlich denn dieses 2:2 war das dritte sieglose Spiel hintereinander für die Werkself. Doch offenkundig gönnt sich die Ligaspitze eine kollektive Pause. "Wenn wir am Freitag gegen Eintracht Frankfurt gewinnen, dann ist dieser Punkt richtig wertvoll", meinte Stefan Kießling, der seinen siebten Saisontreffer erzielt hatte und vom anwesenden Bundestrainer Joachim Löw eine Nominierung für die Länderspiele gegen Chile und die Elfenbeinküste versprochen bekam. Dennoch war auch Kießling verärgert. "Wir haben in der zweiten Hälfte den Druck nicht aufrecht gehalten, das ist uns zum Verhängnis geworden", sagte der Torjäger. Wie schon eine Woche zuvor der Hamburger SV hat auch Bayer Leverkusen sich überrumpeln lassen von der Vehemenz, mit der Schalke derzeit in Heimspielen zu Werke geht.
Spielerisch lief bei den Schalkern mal wieder nicht viel an diesem Abend. In den Vorwochen hatte Felix Magath das große Durcheinander (zahlreiche Spieler werden auf ungewohnten Positionen eingesetzt, andere sind völlig unerfahren, außerdem wird fleißig rotiert) noch mit seiner Trainermagie in ein funktionierendes Ganzes verwandelt. Diesmal funktionierte kaum etwas. Zur Halbzeit dachten fast alle, dass Schalke an seine Grenzen gestoßen sei, Löw verließ die Arena, zu klar war die Angelegenheit. Bayer hatte die Räume verdichtet, Schalke war nichts eingefallen, die Führung durch Toni Kroos (29.) und Kießling (44.) war verdient. "Das war die beste Mannschaft, gegen die wir bisher gespielt haben", erklärte Trainer Felix Magath später, "die waren eine Klasse besser".
Mit der Macht der Fans
Doch die Willenskraft der Schalker, die Macht der Fans und die Verletzung Hyypiäs ergaben eine Mixtur, die eine Wende ermöglichte. "Wir machen sehr viel mit Kampf und Kraft", erläuterte Magath, die Medizinballmethoden des Meistertrainers, der gänzlich auf Laktattests verzichtet, zeigen auch in Gelsenkirchen Wirkung. Ein Titelkandidat ist der Revierklub aber noch längst nicht. Er sei zwar insgesamt "sehr zufrieden mit der sportlichen Entwicklung, aber spielerisch ist das nicht, was ich mir vorstelle", sagte Magath. "Schalke 04 ist keine Spitzenmannschaft", erklärte der Trainer kategorisch. Aber gibt es in der Bundesliga überhaupt ein solches Spitzenteam? Die Bayern stecken in einer Dauerkrise, der HSV gewinnt nicht mehr, Leverkusen ist abhängig von einem Finnen, selbst Bremen wankt, in dieser Bundesliga scheint alles möglich. Den Schalkern mit ihrer unberechenbaren Mannschaft gefällt das zweifelsfrei sehr gut. Am kommenden Sonnabend treten sie beim FC Bayern München an.