Erstellt 06.11.09, 18:27h
Der Leiter des Bayer04-Fanprojekts, Stefan Thomé, spricht über ein Urteil, das „Fans“ betrifft. Danach dürfen Fußballklubs Stadionverbote aussprechen, wenn jemand unter dem Verdacht der Gewaltbereitschaft steht.
Leverkusen Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes dürfen Fußballklubs nun bereits Stadionverbote aussprechen, wenn jemand unter dem Verdacht der Gewaltbereitschaft steht.
STEFAN THOMÉ: Dieses Urteil spiegelt Rat- und Hilflosigkeit wider. Aber, so traurig es klingen mag, es gibt wohl keine Alternative, um die Gewaltproblematik in den Griff zu bekommen.
Also ein richtiges Signal?
Ja. Es geht darum, friedliche Zuschauer vor gewaltbereiten Besuchern zu schützen. Die Sicherheit eines jeden Anhängers muss im Vordergrund stehen.
Denken die vom Leverkusener Fanprojekt betreuten Personen ebenso?
Die meisten schon. Es gibt jedoch einige, deren Unrechtsbewusstsein weniger ausgeprägt ist.
Viele Fans haben Sorge, pauschal mit einem Stadionverbot belegt werden zu können. Zurecht?
Wer sich bei den Spielen vernünftig verhält und sich bei erkennbaren Eskalationen rechtzeitig distanziert, dem wird in aller Regel auch nichts passieren.
Ein Sprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft behauptet, jeder Fan, der ein Fußballspiel besuche, begebe sich in Lebensgefahr.
Das ist absoluter Quatsch. Damit werden völlig unnötige Ängste geschürt. Solche Aussagen zeugen von wenig Feingefühl.
Das Verhältnis zwischen Polizei und Fans scheint ohnehin immer schwieriger geworden zu sein.
Das ist so. Einerseits fehlt manchem Anhänger das Schuldbewusstsein, andererseits sollten sich manche Einsatzleiter an die WM 2006 zurückerinnern.
Warum?
Da ist die Polizei mit ihrem defensiven Konzept gut gefahren. Ziehen 20 Leute laut singend durch die Stadt, sollte man sie auch mal an der langen Leine lassen und nicht gleich eingreifen.
Klappt das in Leverkusen so?
Hier klappt die Zusammenarbeit mit Verein und Polizei, die sozialpädagogische Arbeit des Fanprojekts wird anerkannt.
Der Grad an Brutalität bei den Ausschreitungen nimmt aber zu?
Niemand will die Thematik verharmlosen. Die Entwicklung bei der Jugendgewalt ist aber ein gesamtgesellschaftliches Problem. Da ist die Politik gefragt.
Wie hoch ist denn die Zahl gewaltbereiter Personen in Leverkusen?
Geschätzt bei etwa 20 bis 30. Dazu kommen rund 100 Mitläufer. Derzeit haben rund 100 uns bekannte Bayer-04-Anhänger Stadionverbot. Viele haben daraus gelernt, andere nicht.
Was wird in Leverkusen im Bereich Prävention unternommen?
Wir setzen bei den jungen Leuten an, bieten beispielsweise die Mitarbeit im Arbeitskreis Stimmung an, organisieren gemeinsame Fahrten, Spiele gegen gegnerische Fan-Teams und Diskussionsrunden und stehen natürlich stets als Ansprechpartner zur Verfügung.
Und diese Arbeit ist erfolgreich?
Auf jeden Fall. Aber wir dürfen nicht naiv sein. Fußball ohne jedwede Probleme wird es wohl niemals geben. Dieser Sport lebt halt auch von Emotionen.
Das Gespräch führte Günter Müller.
http://www.leverkusener-anzeig…ikel.jsp?id=1256136980211
Stefan Thomé
Vertrauensmann
Erstellt 06.11.09, 18:27h
Diplom-Sozialpädagoge Stefan Thomé, geboren am 29. Mai 1963, leitet seit 13 Jahren das Fanprojekt Leverkusen. Nach einer Berufsausbildung zum Maschinenschlosser machte Thomé im Alter von 26 Jahren das Fachabitur, studierte dann Sozialpädagogik, absolvierte sein Anerkennungsjahr bei der Bayer AG und kam auf diesem Weg zum Leverkusener Fanprojekt. Mittlerweile ist der 46-Jährige auch Vertrauensmann bei der Bayer 04 Fußball GmbH, eine Art Betriebsrat für alle dort tätigen Mitarbeiter. (gmü)