"Eine Hand, die ich immer spiele, ist König Fünf"

  • Er ist Nationalspieler und momentan der beste Torschütze der Fußball-Bundesliga. Die Rede ist von Stefan Kießling, von dem sie bei seinem Verein Bayer Leverkusen sagen, er schieße nicht nur die wichtigen Tore, sondern er zerreiße sich auch für seine Kollegen. Aber Vorsicht: Stefan Kießling spielt nicht nur leidenschaftlich gern Fußball, er spielt auch leidenschaftlich gern Poker, und spätestens dann ist es mit der Nächstenliebe vorbei. Am grünen Filz wird der 25-Jährige zum Einzelkämpfer, der auch bei seinen Mitspielern keine Gnade kennt.


    ----Herr Kießling, wie würden Sie Ihren Pokerstil beschreiben?


    Offensiv.


    Das sagen Sie bloß so, weil Sie Stürmer sind.


    Nein, ich bin wirklich ein ziemlich offensiver Spieler.


    Auch ein guter?


    Ich denke schon. Zumindest im Verein bin ich das, was man einen Winning Player nennt. Das Geld wandert immer öfter aus den Taschen der anderen in meine.


    Seit wann pokern Sie?


    Seit ungefähr drei Jahren. Irgendwann bin ich in der Nacht bei einer Poker-Sendung hängen geblieben. Was ich da gesehen habe, hat mich interessiert. Also habe ich mir ein Spiel besorgt, und dann ist mir das passiert, was eigentlich allen Anfängern passiert: Man kassiert eine Abreibung nach der anderen und lernt dadurch ziemlich schnell, worum es geht.


    Man hört, Poker soll bei den Bundesligateams die klassischen Rommee-, Schafskopf- und Skatrunden verdrängt haben. Demzufolge wird wohl auch bei Auswärtsreisen von Bayer 04 Leverkusen regelmäßig der Pokerkoffer herausgeholt?


    Ja. Wir schlafen ja vor jedem Heimspiel im Hotel. Und dort gibt es mittlerweile regelmäßig zwei größere Tische. Dort geht es dann zum Teil richtig hoch her. Aber nur bis zur angeordneten Bettruhe.


    Klingt ja recht brav. Glaubt man Torhüterlegende Toni Schumacher, dann soll schon in den Achtzigerjahren in der Nationalmannschaft bis in die frühen Morgenstunden gepokert worden sein. Um teilweise immense Summen. Ersatztorhüter Eike Immel soll sich dabei, so Schumacher in seinem Buch "Anpfiff", wie ein Süchtiger aufgeführt haben. Kennen Sie so etwas aus Leverkusen?


    Natürlich würde ich jetzt gern ein paar Anekdoten zum Besten geben, wo ein Mitspieler sein Eigenheim verzockt oder ein anderer sich nach einem Bad Beat auf dem Boden gewälzt hat. Aber ich muss euch enttäuschen. Wir sind da wirklich ganz harmlos. Mehr als 50 Euro hat in diesen Runden noch keiner verloren. Wir müssen am nächsten Tag ja wieder als Einheit auf dem Platz stehen. Da wäre es wirklich nicht gut, wenn wir uns am Abend zuvor die 500-Euro-Scheine aus den Taschen ziehen.


    Aber vor dem Computer wird dann schon mal etwas riskiert?


    Natürlich zahl' ich gern mal den fünf oder zehn Dollar Buy-in für ein Turnier. Aber in den Cash Games bin ich vorsichtig. Da habe ich den nötigen Respekt vor den Prozentrechnern, die sich im Netz so rumtreiben.


    Mit Verhältnisrechnungen zu Risiko und erwartbarem Gewinn, den sogenannten Pot Odds, beschäftigen Sie sich demzufolge nicht?


    Nein. Ich vertraue da nach wie vor meinem Instinkt. An unserem Tisch bin ich der Trash Talker und versuche so von meinen Mitspielern die nötigen Informationen zu bekommen. Mittlerweile habe ich einen ganz guten Blick für die Blattstärke meiner Kollegen. Und ich halte mich für einen guten Bluffer.


    Haben Sie sich schon mal verzockt?


    Klar, zum Beispiel bei der Everest Poker Soccer Challenge. Am Anfang hatte ich das Turnier gut im Griff gehabt und meine Chips ohne große Action vermehrt. Dann bin ich mit einem Flush Ace high in ein Full House gelaufen und war plötzlich Small Stack am Tisch. Ab dann wurde die ganze Sache zu richtig harter Arbeit. Irgendwann musste ich mit einem niedrigen Pärchen All-in gehen. Und das war's dann.


    Können Sie das für uns übersetzen?


    Ich habe mit einer ziemlich guten Hand ein Spiel verloren und mich davon nicht mehr erholt. :LEV14


    Viele Fußballer vergleichen den Gewinn eines großen Pots im Poker mit dem Rausch der sich beim Torerfolg einstellt. Wie erleben Sie das?


    Vergleichbar ist eigentlich nur das Gefühl vor dem Beginn eines Spiels. Da füllt sich alles mit Adrenalin. Wenn ich dann auf dem Platz ein Tor erziele, ist die Freude kurz, denn du bist auch die restliche Spielzeit voll gefordert. Im Poker gibt es für mich den größten Kick, wenn du eine gute Hand hältst, genügend Chips der Gegner in die Mitte bekommst und dann auch noch auf dem Board triffst. Da kann man sich dann schon mal ganz entspannt zurücklehnen und wieder ein bisschen seine Gegner zulabern.


    Sollten wir Ihnen je an einem Pokertisch begegnen, vor welcher ungewöhnlichen Hand müssten wir uns in Acht nehmen ?


    Also eine Hand, die ich eigentlich immer spiele, ist König Fünf. Sollte auf dem Board also König Fünf erscheinen, rat' ich euch, den Pot lieber gleich abzugeben.


    Interview: Christian Henkel --> Berliner Zeitung von heute