Vom Albtraum über Märchen bis zum fehlenden Happyend - Bayers Auswärtsspiel am 16. Spieltag hatte alles zu bieten, was den Fußball so schön und grausam zugleich macht. Am Ende baute die Werkself ihren Start-Rekord mit einem 2:2 (0:1) bei Hertha BSC weiter aus, trat die Heimreise vom letzten Auswärtsspiel der Hinrunde aber mit gemischten Gefühlen an.
Von einem Spiel mit der Konstellation Schlusslicht gegen Tabellenersten erwartet der Fußball-Fan ja schon fast, dass der Außenseiter dem Favoriten ein Schnippchen schlägt. Und so begann für Bayer 04 die Partie beim abgeschlagenen Hertha BSC Berlin tatsächlich auch. Mit dem ersten Angriff gelang den Gastgebern die 1:0-Führung. Cicero spielte einen Pass in die Nahtstelle der Bayer-Abwehr auf Adrian Ramos, der frei vor René Adler die Nerven behielt und zum 1:0 traf (8. Minute).
Der Treffer gab den Herthanern die nötige Sicherheit, um gegen Bayer kompakt und konsequent sowie weiter mit dem nötigen Mut nach vorne zu agieren. Die Werkself, bei der Trainer Jupp Heynckes die Anfangself mit Michal Kadlec (Linksverteidiger), Stefan Reinartz (Innenverteidigung) und Gonzalo Castro (defensives Mittelfeld) auf drei Positionen variierte, kam nur schwer in Tritt.
Wenige Chancen
Ein Kopfball von Eren Derdiyok war nach 45 Minuten das einzige, was Bayer 04 auf der Habenseite zu verbuchen hatte. Ansonsten gab es viele Ungenauigkeiten in Zweikämpfen und Spielaufbau sowie Probleme im variablen Spiel nach vorn. Zusätzlich unterbanden die Gastgeber jeden ansatzweise gefährlichen Gegenangriff beherzt.
So ging das 1:0 für die Berliner, die erstmals seit ihrem einzigen Saisonsieg am ersten Spieltag in Führung gingen, insgesamt in Ordnung.
Stimmen zum Spiel
Trainer Friedhelm Funkel (Hertha BSC Berlin): "Wir haben sehr diszipliniert gespielt. Durch das frühe Tor konnten wir unsere defensive Grundausrichtung fortführen. Wenn man dann mit so einer Leidenschaft spielt, wie wir sie an den Tag gelegt haben, dann wird es für jede Mannschaft schwer. Der Punkt gibt Hoffnung. Wenn man gegen den Tabellenführer unentschieden spielt, mit so einer Leidenschaft und in Unterzahl noch zurückkommt, dann zeigt das, dass die Mannschaft lebt. Wir müssen schauen, dass wir mit drei gezielten Neueinkäufen und Florian Kringe nochmal angreifen"
Trainer Jupp Heynckes (Bayer 04): "Hertha hat in der ersten Halbzeit das Geschehen dominiert. Da waren wir viel zu weit weg von den Gegenspielern und hatten keinen guten Spielfluss. Das 1:0 hat Hertha in die Karten gespielt. In der zweiten Halbzeit hat meine Mannschaft wesentlich besser gespielt und ist verdient zum Ausgleich gekommen. Man hat gesehen, dass irgendwann die vielen Ausfälle nicht mehr kompensiert werden können. Wenn alle Spieler wieder dabei sind, dann werden wir auch wieder angreifen."
Debüt für Burak Kaplan
Zur Pause musste Heynckes dann noch auf eine Blessur bei Daniel Schwaab reagieren. Für ihn kam Nachwuchstalent Burak Kaplan zu seinem ersten Bundesliga-Einsatz. Der 19-Jährige übernahm die linke Seite von Kroos, der in der neuen Mittelfeld-Raute hinter die Spitzen rückte. Castro übernahm hinten rechts.
Kaplan war auch gleich an der ersten gefährlichen Aktion beteiligt. Sein Zuspiel lenkte Stefan Kießling von der Strafraumgrenze direkt Richtung Tor und zwang damit Hertha-Keeper Jaroslav Drobny zur ersten großen Tat. Kurz darauf musste allerdings auch Bayer durchatmen, als ein Treffer von Raffael wegen Abseits nicht gegeben wurde.
Wachsender Bayer-Druck
Danach wurde die Partie immer intensiver. Heynckes brachte mit Patrick Helmes für Eren Derdiyok einen frischen Stürmer. Bayer baute Druck auf, kam besser in die Zweikämpfe, biss sich aber zunächst weiter die Zähne am dichten Abwehrriegel der Gastgeber aus. Den Rest erledigte Berlins Schlussmann Drobny. Doch der Druck der Leverkusener Gäste wurde immer stärker.
Innerhalb einer Minute änderten sich dann die Vorzeichen. Zunächst gelang Toni Kroos nach einem abgewehrten Eckball mit einem präzisen Schuss aus 16 Metern ins rechte untere Ecke das verdiente 1:1 (76.). Das frustrierte Berlins Gojko Kacar so sehr, dass er sich kurz darauf dazu hinreißen ließ, den Ball wegzuschleudern und dafür Gelb-Rot sah (77.).
Jubel und Schlussschreck
Die Werkself hielt danach den Druck hoch und es schien tatsächlich eine dieser tollen Fußball-Geschichten zu werden, als Kaplan in seinem ersten Spiel gleich nach einer Kopfballverlängerung von Stefan Kießling mit einem abgefälschten Schuss das 2:1 gelang (90.). „Das war natürlich ein unglaubliches Gefühl“, gab der Youngster hinterher zu Protokoll.
Leider - aus Bayer-Sicht - ging es noch unglaublich weiter, denn die Hertha holte sich tatsächlich noch einen Punkt zurück. In der Nachspielzeit erkämpften sich die Berliner einen Eckball, den Ramos zum 2:2-Ausgleich im Tor unterbrachte (90.+3).
Damit war zwar klar, dass Bayer auch nach 16 Spielen ungeschlagen und Tabellenführer der Bundesliga bleibt, aber natürlich hätte Bayer nch dem Verlauf gern mehr mitgenommen. Die Möglichkeit, die starke Hinrunde zu einem richtigen Happyend zu führen, hat sein Team allerdings am nächsten Spieltag, wenn Borussia Mönchengladbach zum Jahres- und Hinrundenausklang zu Gast in der BayArena ist.