Das fragte Trainer Jupp Heynckes nach dem Spiel in Berlin - und ließ vorsichtshalber prüfen, wie es um die Fitness steht
Von Kai Psotta
Als die Spieler Bayer Leverkusens am vergangenen Samstag um 10.15 Uhr im Konferenzraum im Grand Hotel Esplanade antraten, wussten sie nicht, was sie erwarten würde. Ihr Trainer Jupp Heynckes (64) hatte sie nach dem 2:2 beim Schlusslicht Berlin und nur zwei Punkten aus den vergangenen beiden Spielen noch vor dem Auslaufen zum Rapport einbestellt. Doch Heynckes brüllte nicht los oder nagelte die Spieler an die Wand.
Laut geworden war er schließlich schon am Vortag in der Halbzeitpause. SPORT BILD weiß, was Heynckes seiner Mannschaft vorwarf: „Wir sind zu weit von den Gegenspielern. Wir gehen nicht in die Zweikämpfe. Wir lassen alles vermissen, was uns in den letzten Wochen so stark gemacht hat.“ Zu dem Zeitpunkt lag Bayer als Tabellenführer 0:1 gegen Berlin hinten. Ausgerechnet gegen das Team, das in dieser Saison nur einen einzigen Sieg (gegen Hannover) holte.
Doch nun, bei der Besprechung im Teamhotel, fragte er seine Profis nur ganz ruhig: „Warum funktionieren wir als Mannschaft nicht mehr? Liegt es an unserem Fitnesszustand? Wollt ihr anderes Training? Oder mehr?“
Stefan Kießling (25), mit zwölf Toren derzeit der beste Stürmer der Liga, meldete sich zu Wort. Auch Mittelfeldspieler Tranquillo Bametta (24) antwortete. Beide verneinten, obwohl Bayer derzeit sehr dosiert nur einmal am Tag trainiert: Nein, das Training müsse nicht verändert werden. Auch mangelnde Fitness sei nicht der Auslöser des Zwischentiefs bei Bayer.
Das ergab die Auswertung von Leverkusens Konditionstrainer Holger Broich, der bei der Ansprache dabei war. Er hatte mithilfe des Computersystems Amisco, mit dem eine komplette Bewegungsanalyse erstellt wird, die Anzahl der Sprints und Laufkilometer der Spieler analysiert - ohne feststellen zu müssen, dass es großartige Veränderungen gab.
Heynckes selbst will die Inhalte der Ansprache nicht kommentieren. Er rede nie über interne Besprechungen, sagt er auf Anfrage - aber: „Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass die Mannschaft einbrechen könnte. Man sollte jetzt nicht den Fehler begehen, uns jetzt zu unterschätzen.“
Auch Verteidiger Stefan Reinartz (20), der bis auf den Auftritt bei den Berlinern ein zuverlässiger Ersatz von Nationalspieler Simon Rolfes (27) war, bleibt optimistisch: "Wir haben jetzt zwei Spiele weit unter unseren Möglichkeiten gespielt. Gegen Berlin war mit Sicherheit auch mein schwächstes Spiel. Aber trotz des kleinen Durchhängers zuletzt haben wir noch immer eine ideale Ausgangslage. Wir sind Tabellenführer und können aus eigener Kraft Herbstmeister werden.“
Sportdirektor Rudi Völler sieht auch noch keine größeren Probleme: „Wir stehen immer noch oben. Das ist unter den Voraussetzungen, dass uns einige Leistungsträger fehlen, ganz stark.“ Neben Rolfes (arthroskopische Gelenkspülung im Knie) fehlt Bayer insbesondere Renato Augusto (Kalkablagerung zwischen Schien- und Wadenbein). Beide sollen in der Rückrunde wieder dabei sein.
Doch erst einmal geht es am Samstag zu Hause gegen Borussia Mönchengladbach. „Ein Sieg noch, und wir brauchen uns erst mal keine Gedanken zu machen“, sagt Reinartz. „Denn dann können wir uns mit viel Selbstvertrauen auf die Rückrunde vorbereiten und unseren Weg fortsetzen."
Seit dem achten Spieltag ist Leverkusen Tabellenführer. Vor dem letzten Spieltag der Hinrunde mit einem Punkt Vorsprung vor Schalke o4.
Kurz-Interview mit Ex-Bayer-Trainer Toppmöller
Herr Toppmöller, Sie waren mit Bayer 2001/2002 Herbstmeister, wurden letztlich Vizemeister. Wiederholt sich die Geschichte?
Klaus Toppmöller (58): Wenn Bayer komplett durchspielen kann, haben sie eine einmalige Chance. Ohne weiteres Verletzungspech oder Sperren traue ich ihnen den Titel zu. Abschmieren werden sie nicht.
Warum nicht?
Weil Patrick Helmes noch acht bis zehn Tore macht. Ich würde aber nicht mit drei Stürmern spielen. Damit würde man ihnen gegenseitig die Luft abschnüren.
Quelle: SportBild-Printausgabe vom 16.12.09