Respekt! Nach 17 Spielen ohne Niederlage grüßt Bayer Leverkusen als Herbstmeister. Die Hoffnungen
auf den ganz großen Wurf ruhen nicht zuletzt auf einem Mann: JUPP HEYNCKES (64), der weiß, wie’s geht.
Der Abend klang stilvoll aus. Im „Hotel zur Post“, einem romantischen Sternerestaurant im malerisch verschneiten Odenthal im Bergischen Land, genossen Trainer, Spieler und deren Frauen oder Freundinnen den erfolgreichen Abschluss der Hinrunde. Die „Freude nach innen“ empfahl Jupp Heynckes (64) seiner jungen Truppe passend zur Adventszeit, „das stille Genießen“ sei schöner, als alles immer wieder nach außen zu kehren. Diese Fähigkeit des erfahrenen Mannes, der als Gladbacher Stürmer viermal Meister wurde und als Trainer mit dem FC Bayern 1989 und 1990 diesen Titel holte,
haben die meisten Spieler seines Kaders noch nicht. Laut und ausgelassen hatten sie Stunden vorher den 3:2-Sieg über Gladbach gefeiert, bejubelt von den Fans in der BayArena, die nicht recht wissen,
was ihnen zurzeit widerfährt.
Am Samstag, das war so ein Spiel als alle nach Dantes 2:1 dachten, jetzt sei es wieder so weit. Jetzt ist
Bayer wieder angelangt an dieser unvermeidlichen Sperre. An jenem imaginären Punkt, der die Werkself
auffordert, Platz eins zu verlassen. Reserviert ist Rang zwei – allerhöchstens! Am Samstag aber kämpften sie gegen Platz zwei. Oder wie Toni Kroos sagte: „Für Platz eins!“ Und sie kämpften erfolgreich. Die Trainer auf der Bank, die Spieler auf dem Rasen. Der letzte Auftritt 2009 als letzter Beweis für die Harmonie zwischen Jupp Heynckes und seinem Team. Gemeinsam mit Peter Hermann (57) drehte
er an ein paar Rädchen, schickte Kadlec auf links, Kroos in die Zentrale. Kämpfend, grätschend, spielend kam Bayer zurück und besiegte den Fluch.
Wichtiger als die „Herbstmeisterschaft“ ist die Erkenntnis, nicht von der Spitze gefallen zu sein als alle darauf warteten: „Wir haben ein Zeichen gesetzt“, freute sich Gonzalo Castro (22), „Bayer verliert nicht automatisch, wenn es um etwas geht.“ Was kann da noch kommen? „Wintermeister“ war Bayer schon
(1993/94 als 20 Spieltage im Spieljahr 1993 absolviert und Bayer als Erster in die Pause ging, am Ende
auf Platz fünf landete), Herbstmeister ebenfalls, 2001/02, es blieb Rang zwei. „Wir haben leistungsmäßig noch Luft nach oben“, sagt Castro, „das wollen wir zeigen, mal sehen, was dann passiert.“
Rudi Völler (49) sieht die Bayern als „geborenen Meister“. In der Regel bestimmten die Münchener
den Ausgang des Titel-Rennens. Bei denen müsse einiges schieflaufen, beim Konkurrenten alles perfekt
– das wäre der Weg. „Das eine können wir nicht beeinflussen, das andere schon“, sagt Stürmer Stefan
Kießling (25). Fakt ist: Der aktuelle Kader ist stärker als in der Vor-Saison. Dank des neuen Trainer-Duos, dank der Neueinkäufe. Die Frage, ob Bayer Meister werden kann, ist seriös nicht zu beantworten. Die Gefahren? Es werden Rückschläge kommen. Kießling: „Das wissen wir. Aber wir werden aufstehen.“ Der Kampf um die Stammplätze kann, wenn Renato Augusto, Rolfes und Helmes zurückkehren, zu Neid-
Debatten führen. Castro: „Es wird keine Probleme geben.“ Wenn doch, ist Heynckes gefordert.
Bislang löste er alle Probleme. Sein Vorteil: Er weiß Spieler hinter sich, die ihm alle dankbar sind. Weil
sie mit ihm jetzt den Kampf gegen Platz zwei schon einmal gewonnen haben.
FRANK LUßEM
Quelle: Kicker Printausgabe 21.12.09