Mit vier Vorlagen und sechs Toren hat Toni Kroos großen Anteil an der guten Hinrunde von Herbstmeister Leverkusen. Im Interview mit WELT ONLINE spricht der von Bayern München ausgeliehene Mittelfeldspieler über Bayers T**elchancen, den Anteil von Trainer Jupp Heynckes am Erfolg und seinen Traum von der WM-Teilnahme.
WELT ONLINE: Bayer hat 2:1 beim holländischen Tabellenführer Twente Enschede gewonnen. Die Vorbereitung lief offenbar gut.
Toni Kroos: Ja. Wir trainieren zwar intensiver als sonst, aber auch nicht so knallhart, da wir durch die kurze Pause kaum Kraft verloren haben. Wir sind alle guter Dinge.
WELT ONLINE: Sie gehen als Tabellenführer in die Rückrunde. Verspüren Sie besonderen Druck?
Kroos: Nein. Wir gehen damit gelassen und vor allem realistisch um. Es ist eine schöne Momentaufnahme, mehr nicht. Wir werden nicht von unserem Ziel, unter den ersten fünf zu landen, abweichen, nur weil wir da oben stehen. Wir freuen uns natürlich über die Tabellenführung. Aber es ist viel zu eng da oben, um sich mit Sprüchen weit aus dem Fenster zu lehnen.
WELT ONLINE: Auf Bayer lastet der Fluch des ewigen Zweiten. Ihr Kollege Gonzalo Castro sagte nun: „Das mit dem Vizekusen geht mir auf den Sack.“
Kroos: Das ist doch nachvollziehbar. Jeder wünscht sich, irgendwann mal einen T**el zu gewinnen. Auch die Spieler bei Bayer Leverkusen. Doch es ist nun mal so, dass die Deutsche M**sterschaft nur über den FC Bayern geht. Ich will damit nicht sagen, dass wir nicht fähig sind, etwas ganz Großes zu erreichen. Aber bei einem Team wie unserem müsste dann einfach alles optimal laufen.
WELT ONLINE: Wollen Sie damit sagen, ein T**elgewinn klappt nur, wenn die Bayern patzen?
Kroos: Ja, weil ich denke, dass diese Mannschaft in der Breite am besten in Deutschland aufgestellt ist. Man hat es ja in der Hinrunde gesehen. Da wurde alles schlecht gemacht, was beim FC Bayern passiert ist. Jetzt aber liegen sie nur zwei Punkte hinter uns. Das beweist, dass es schwer wird, die Bayern aufzuhalten, wenn sie ins Laufen kommen. Nur damit man mich nicht falsch versteht: Ich will uns damit in Leverkusen nicht klein machen.
WELT ONLINE: Kritiker befürchten, dass Bayer noch abstürzt. Was entgegen Sie denen?
Kroos: Wir sind qualitativ so gut, dass wir das verhindern können. Wir werden sicher auch mal ein Spiel verlieren. Aber dann wird es nicht so sein wie in der vergangenen Saison. Da haben wir alles laufen lassen und uns nicht mehr richtig gewehrt. Diesmal wird reagiert. Und außerdem haben wir mit Jupp Heynckes einen so guten Trainer, der das gar nicht zulassen würde. Er würde dagegensteuern, sollte er Anzeichen dafür spüren.
WELT ONLINE: Wie groß ist der Anteil von Jupp Heynckes am derzeitigen Erfolg?
Kroos: Sehr groß. Viele sagen ja, er sei auch nur ein Trainer wie viele andere. Aber es ist irgendwie besonders mit ihm. Er hat eine sehr gute Gabe, mit uns Spielern umzugehen. Er lässt nicht locker, selbst wenn es gut läuft, und verliert nicht gleich die Nerven und wirft alles über den Haufen, wenn wir einen Hänger haben. Mit seiner Ruhe gibt er uns die nötige Sicherheit. Er vertraut uns und wir vertrauen ihm.
WELT ONLINE: Sie haben sich vor einem Jahr vom FC Bayern ausleihen lassen. Wie wichtig war dieser Schritt?
Kroos: Es war ein ganz entscheidender in meiner Karriere. Gerade in jungen Jahren ist es wichtig zu spielen. Natürlich ist es auch gut, auf hohem Niveau zu trainieren. Aber das hat mir nicht gereicht. Ich habe in München zu dieser Zeit keine Perspektive für mich gesehen.
WELT ONLINE: Laut Vertrag müssen Sie am 30. Juni zurück. Sportdirektor Rudi Völler hat jetzt noch einmal betont, dass Bayer alles versuchen will, Sie in Leverkusen zu halten. Hätten Sie denn überhaupt Lust zu bleiben?
Kroos: Es geht erst einmal nicht darum, was ich will. Ich habe einen gültigen Vertrag, und wenn die Bayern sagen, dass ich zurückkommen soll, gehe ich selbstverständlich zurück. Wenn allerdings aus München Informationen dahin gehend kommen, dass man mit mir trotz Vertrages nicht plant, muss ich mir zusammen mit meinem Berater Gedanken machen. Dann wäre natürlich Bayer Leverkusen eine gute Adresse für mich, wobei es auch noch andere Vereine gibt. Aber letztlich liegt die Entscheidung bei den Bayern. Entweder sie holen mich zurück oder geben mir die Möglichkeit, mich nach einem anderen Verein umzuschauen.
WELT ONLINE: Sollten die Bayern auf eine Rückkehr drängen, müsste Ihnen doch dann aber daran gelegen sein zu erfahren, wie groß Ihre Chancen auf einen Platz in der Startelf sind?
Kroos: Ich denke, dass es in den kommenden Wochen mal ein Gespräch mit den Bayern geben wird, in dem es natürlich auch um meine sportliche Perspektive in München geht. Christian Nerlinger (Manager des FC Bayern, d. Red.) hat ja kürzlich was ganz Gutes in Hinsicht auf eine Konstellation wie diese gesagt. Er meinte, dass man mit dem Spieler einen Plan oder eine Idee haben muss, wenn man ihn nach einem Leihgeschäft zurückholt. Das fand ich sehr gut. Genau auf dieser Grundlage kann ich dann demnächst mit den Bayern reden.
WELT ONLINE: Bundestrainer Joachim Löw hat Ihnen zu Wochenbeginn „eine großartige Entwicklung“ attestiert. Rechnen Sie sich WM-Chancen aus?
Kroos: Es wäre ein Traum, dabei zu sein. Aber ich weiß, was notwendig ist, um mir ernsthaft Chancen ausrechnen zu können. Ich habe sicherlich keine schlechte Hinrunde gespielt. Doch ich brauche noch sehr viele gute Spiele, um für die Verantwortlichen der deutschen Nationalmannschaft wirklich ein Thema zu werden. Dafür ist die Konkurrenz in Deutschland einfach zu groß. Ich muss also nicht nur mal gut spielen, sondern konstant gut spielen.