1:1 – Mit Fußball-Idolen im Gespräch: RUDI VÖLLER - Teil 1

  • „Den schickst du in den ersten zehn Minuten gleich dreimal auf die Aschenbahn“


    kicker: Welches Spiel aus der Vergangenheit möchten Sie gerne noch einmal spielen, Herr Völler?


    Rudi Völler (49): Das WM-Finale 2002! Und zwar mit Michael Ballack. Der war bei unserem 0:2 gegen Brasilien bekanntlich gelbgesperrt. Es gibt keine Garantie, dass wir mit Michael Weltmeister geworden wären, aber die Wahrscheinlichkeit einer Überraschung wäre sicher größer gewesen. Michael hatte eine Top-Saison hinter sich, war der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Welt und hatte eine herausragende Gabe: das wichtige 1:0 zu erzielen.


    kicker: An welches Spiel erinnern Sie sich am liebsten?


    Völler: Ganz klar, an unseren WM-Sieg gegen Argentinien 1990 in Rom. Schon als kleiner Junge träumst du davon, und dann bist du’s wirklich. Und Weltmeister bleibst du ein Leben lang. Es war einfach fantastisch. Und das in Italien, in Rom, in meiner Stadt, in meinem Stadion.


    kicker: War das im Fußball auch Ihr emotionalster Moment?


    Völler: Diese letzten fünf Minuten des WM-Finals – ja, eindeutig! Wir führten 1:0, waren zwei Mann mehr, und mir war klar: Da brennt jetzt nichts mehr an. Weltmeister! Du bist es! Ich habe diese Minuten total genossen.


    kicker: Was haben Sie eigentlich Frank Rijkaard getan, bevor er Sie im WM-Achtelfinale 1990 bespuckte?


    Völler: Die Deutschland-Holland- Nummer kochte in dieser Zeit auf dem Siedepunkt. Ich habe Rijkaards Reaktion nicht verstanden. Er war damals beim AC Mailand und wir hatten ein gutes Verhältnis. Bei Milan spielte er übrigens im defensiven Mittelfeld. Ich habe es immer als großes Kompliment gewertet, dass der holländische Bondscoach ihn extra für mich als Verteidiger abstellte.


    kicker: Sie haben später mit ihm darüber geredet.


    Völler: Ja, mit Frank habe ich mich über diese Aktion längst ausgesprochen. Es war damals eben eine hochangespannte Situation und zudem hatte er noch diverse private Probleme. Vergessen! Viel mehr aufgeregt hat mich, dass dieser argentinische Schiedsrichter auch mich vom Platz gestellt hat. Ich hatte überhaupt nichts gemacht und der hatte überhaupt nichts gesehen. Das war furchtbar für mich. Da fliegst du nach 21 Minuten vom Platz, weißt nicht warum, wirst ein Spiel gesperrt und kommst aus deinem Spielrhythmus.


    kicker: Von welchem Trainer haben Sie in Ihrer Karriere am meisten profitiert?


    Völler: Als Jugendlicher in Offenbach sicher von Hermann Nuber, in Bremen später von Otto Rehhagel. Insgesamt hatte ich mit allen meinen Trainern ein sehr gutes Verhältnis.


    kicker: Hatten Sie ein Vorbild?


    Völler: Als Stürmer ragte damals natürlich Gerd Müller, der Bomber der Nation, heraus. Obwohl ich ein völlig anderer Stürmertyp war.


    kicker: Wer war der beste Stürmer aller Zeiten – außer Rudi Völler?


    Völler: Pelé, van Basten und natürlich Gerd Müller.


    kicker: Sie waren ein schneller und gefährlicher Stürmer. Vor welchem Gegenspieler hatten Sie den größten Respekt?


    Völler: Wenn du gegen Karlheinz Förster gespielt hast, tat das gelegentlich schon weh. Früher wurden wir Stürmer ja bei weitem nicht so geschützt wie die Jungs heute. In meiner Anfangszeit in Offenbach hatte sich schnell rumgesprochen „der Völler ist verdammt schnell“. Da sagten die Trainer schon mal zu ihren Verteidigern: „Den schickst du in den ersten zehn Minuten gleich dreimal auf die Aschenbahn.“ Tatsache ist, dass ich damals häufig in einem Spiel Fouls eingesteckt habe, die heute für drei Rote Karten reichen würden.


    kicker: Sie haben mit vielen exzellenten Fußballern gespielt. Wer war der Beste?


    Völler: Ich habe mit sehr vielen sehr guten Kollegen spielen dürfen. In der Nationalelf habe ich besonders mit Jürgen Klinsmann harmoniert.


    kicker: Ihr Job war es, Tore zu machen. Wer war denn der beste Torhüter?


    Völler: Toni Schumacher war zu meiner Zeit sicher herausragend. Besonders beeindruckt hat mich aber auch René Müller, der Nationaltorhüter der DDR von Lok Leipzig. Er war seiner Zeit voraus, schon damals ein mitspielender Keeper. Da ich während meiner Bremer Zeit DDR-Fernsehen schauen konnte – ab und zu habe ich sogar den „Schwarzen Kanal“ des legendären Karl-Eduard von Schnitzler verfolgt und geschmunzelt – war ich über den Fußball da drüben ganz gut informiert.


    kicker: Bayern Münchens Klaus Augenthaler hat Sie im November 1985 böse niedergestreckt. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm heute?


    Völler: Gut. Klar, es war ein Foul der etwas härteren Sorte. Und es war in der Zeit, als die Rivalität zwischen Werder und Bayern auf dem Höhepunkt war. Aber es war keine Absicht, und unser Verhältnis ist schon seit langem wieder gut.


    kicker: Sie haben in Ihrer Karriere sehr viele Erfolge gefeiert. Was war Ihr bitterster Moment?


    Völler: Als Spieler zweifellos das 0:0 mit Bremen 1986 gegen die Bayern am vorletzten Spieltag, als mein bester Spezi Michael Kutzop zwei Minuten vor Schluss den Elfer an den Pfosten setzte. 33 Spieltage waren wir vorne gewesen und am letzten Spieltag wurden dann die Bayern Meister. Das war bitter. Als Sportdirektor war das 0:2 mit Leverkusen 2000 in Unterhaching natürlich grausam. Wir hätten nur einen Punkt gebraucht – und am Ende waren wieder die Bayern Meister.


    kicker: Immer diese Bayern . . . War ein Wechsel zum FCB eigentlich nie ein Thema?


    Völler: Nein, zu meiner aktiven Zeit spielten die besten Fußballer der Welt in Italien – und da wollte auch ich hin.


    kicker: Aber Sie hätten vor kurzem auch Nachfolger von Uli Hoeneß als Manager bei den Bayern werden können.


    Völler: Es ist bekannt, dass es Kontakte zu Uli Hoeneß gab. Aber die Sache war schnell vom Tisch, ganz einfach weil ich mich mit Bayer Leverkusen nach diesen vielen Jahren eng verbunden fühle.


    kicker: Mit Werder waren Sie dreimal Zweiter. Wie sehr ärgert es Sie eigentlich, dass Sie nie Meister geworden sind?


    Völler: Auf diese Frage gebe ich jedes Mal meine Lieblingsantwort: Ich habe eben nur die ganz wichtigen Titel geholt. Weltmeister, Champions League . . .




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 25.01.10


    Teil 2 folgt...