Zwischen Wembley und Wehen

  • Er ist zurück: Gestern lief MICHAEL BALLACK (33) erstmals wieder für Leverkusen auf – und machte seine Sache gut.


    Die äußeren Umstände hätten eine vorzeitige Auswechslung gerechtfertigt. Die immer zerfahrener wirkende Testpartie zwischen Bayer Leverkusen und dem Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. Der strömende Regen, der den Rasen tief und tiefer werden ließ. Die grätschenden Gegner. Die knapp vergebene Torchance. Doch Michael Ballack (33), vielsagend vom seinem Trainer Jupp Heynckes (65) als Kapitän auf den Platz geschickt, ließ sich nicht beirren. Er spielte durch und bereitete kurz vor Schluss mit einem wunderschönen Pass auf den jungen Kollegen Marcel Risse (20) noch kunstvoll den 4:0-Endstand (Torschützen: Barnetta 2, Derdiyok, Risse) vor. Ein Pass, der unausgesprochen ausdrückte: „Das wollte ich auf jeden Fall noch zeigen!“


    Knapp 100 Schaulustige freuten sich in der Bay-Arena. Exakt drei Monate nach Michael Ballacks letztem Auftritt als aktiver Fußballer. Damals, am 15. Mai 2010, als er von Kevin-Prince Boateng (23) rüde aus dem Verkehr gezogen wurde, waren 88 335 Menschen im Wembley-Stadion Augenzeuge. Seinerzeit ging es mit dem FC Chelsea gegen Portsmouth um den FA Cup, nun aber tatsächlich nach all den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Tage um viel mehr – um die Rückkehr in die berufliche Normalität für den Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.


    Wehen statt Wembley – Ballack tat der Sonntagvormittag sichtlich gut: „Es war anstrengend und ich bin froh, dass ich durchgehalten habe.“ Eine negative Rückmeldung vom verletzten Bein bekam er nicht, „mal sehen, was morgen passiert“. Ohne Schmerzen also zog er die Sache durch, holte sich eine Portion dessen, was er momentan so nötig braucht: Praxis! Denn: „Jedes Spiel, jede Einheit bringt mich weiter.“


    Ein Dutzend feiner Pässe, zwei gefährliche Kopfbälle, viele Kommandos und engagierte Körpersprache bei noch verhaltener Zweikampfführung zeigte Ballack in den 90 Minuten, die ihm auch offenbarten, „dass ich noch nicht bei 100 Prozent bin“.


    Mit seinem Trainer ist er übereingekommen, dass er nach diesem ersten Härtetest so viele Einsätze bekommt wie nötig, um Schritt für Schritt das Maximum zu erreichen. Es werden wohl, interpretiert man die Zwischentöne der Beteiligten richtig, zunächst Teileinsätze sein. Möglicherweise bereits am Donnerstag im Europa-League-Spiel gegen Simferopol, vielleicht auch erst am Sonntag in Dortmund.
    Die Floskel „Von Spiel zu Spiel denken“ passt angesichts der aktuellen Situation wie die Faust aufs Auge.


    Wohltuend: Ballack sucht nicht mit Worten den Weg in die Mannschaft. „Die Vorbereitung mit der langen Reha war zäh. Es ist wichtig, dass es jetzt losgeht“, sagt Ballack, ringt mit jeder Silbe, jedem Schritt um Normalität. Auch übrigens in der leidigen Kapitänsfrage: „Ich denke, wir sollten das Thema bis zum September ruhen lassen. Es ist genug gesagt worden.“ Kein Zweifel: Michael Ballack kommt langsam in Form.
    FRANK LUßEM



    PERSONALIEN
    BAYER LEVERKUSEN

    Sami Hyypiä (36) verdrehte sich beim Pokalerfolg in Pirmasens das rechte Knie und musste ausgewechselt werden. Eine Untersuchung ergab keinen Bänderschaden, der Finne wird voraussichtlich in dieser Woche wieder mit dem Training beginnen, möglicherweise im Europa-League-Spiel am Donnerstag pausieren.





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 16.08.10