So, dann wollen wir mal, Saison 2001/2002... erstmal eins der negativen Erlebnisse, fast so "gut" wie Unterhaching.
Fast eine Kopie des damaligen Geschehens. Wir schreiben den 33. Spieltag. Bayer 04 hat am Spieltag zuvor Nerven gezeigt und das Heimspiel gegen Werder Bremen vergeigt. Würde das Bayer-Syndrom wiederkommen? Nein, das konnte gar nicht passieren. In diesem Jahr war alles möglich. Liverpool in brillianter Manier aus der Champions League gefightet, in Manchester ein 2:2 geholt. Da sollte genug Selbstbewusstsein da sein, um die Nürnberger niederzuhalten. Ein Sieg mit Glanz und Gloria war nicht wichtig. Hauptsache drei Punkte, Hauptsache die Schale holen. Dortmund hatte ein auch nicht gerade leichtes Auswärtsspiel vor der Brust, also war das unsere Chance, alles vorzeitig klar zu machen.
Soweit die Voraussetzungen. Der Rahmen ähnlich wie gegen Haching. Eine Karawane von Bayer Fans auf der Autobahn, wir unterwegs diesmal in einem schicken kleinen VW-Caravelle. Tempomat und Navi, was will man mehr. Ganz gemütliches gondeln- Ähnliche Szenen an den Raststätten wie ein Jahr zuvor. Überall rot-schwarz. Einfach schön. Viele "neutrale" Autos, aus denen man zuwinkte, die hupten. Offenbar hatten wir durch unseren begeisternden Fussball in Bundesliga und vor allem auf europäischer Ebene eine ganze Menge Sympathien und Anerkennung gewonnen.
Irgendwann unterwegs Achim getroffen, den wir in Barcelona kennengelernt haben, dann 2er-"Kolonne" bis Nürnberg mit wechselnder Führungsarbeit, auch schonmal Nebeneinander, um den anderen Autofahrern zu zeigen, wo der Hammer hängt sportlich. Ankunft in Nürnberg, Nähe Frankenstadion. Keine Häme, aber auch keine Sypmathien, die uns entgegenschlugen, wen wunderts, Nürnberg kämpfte ja noch gegen den Abstieg.
Und so ist es, auch die Nürnberger Mannschaft kämpft. Unsere Jungs beginnen irgendwie phlegmatisch. Ähnlich wie in Unterhaching, nicht wirklich schlecht, aber irgendwie auch nicht so, wie man es in allen Spielen zuvor erlebt hatte. Nürnberg erspielt sich zu Beginn mehr Chancen. Leverkusen eigentlich nur darauf beschränkt, das Spiel zu kontrollieren, was abernicht funktioniert. Mehr und mehr gleitet Bayer das Spiel aus den Händen. Man steht im Block und fragt sich, was los ist. Ich weiss gar nicht mehr so genau, wie die Stimmung allgemein war, aber bei mir war sie sehr seltsam. Undefinierbar, so wie das Spiel der Mannschaft. Und dann passiert der gleiche Albtraum wie in Haching. Das bayerische Team geht mit 1:0 in Führung. Freistoss von der linken Seite, Nikl rauscht heran und wuchtet einen Kopfball ins Netz. Nicht, dass es jemand vom Bayer für nötig gefunden hätte, ihn dabei zu stören.
Und schlagartig wird aus dem komischen Gefühl, dem Phlegmatismus Unsicherheit. Personifiziert in Carsten Ramelow. Was der an dem Tag im Essen hatte, weiss ich bis heute nicht, aber es müssen starke Drogen gewesen sein. Vollkommen von der Rolle. Einfachste Dinge sind ihm nichtgelungen, Fehlpässe, verlorene Zweikämofe, katastrophales Stellungsspiel. Aus einer schwachen Mannschaft hat er in Halbzeit eins deutlich herausgeragt, das muss man leider so sagen. Chancen vom Bayer in Halbzeit eins sind quasi nicht vorhanden. Stattdessen haben die Nürnberger noch ein paar Gelegenheiten, zu erhöhen. Paulo Rink aber bleibt seinem Namen treu und "trifft das Tor nicht Paulo Rink, oh Paulo bist Du blind"... in diesen Momenten kommt Hoffnung auf. Nürnberg lässt uns noch eine Chance. Und Berbatov hat auch noch eine vor der Halbzeit. Da erwacht in einem selbst wieder der Glaube daran, dass das ja so schwer gar nicht ist.
Halbzeit zwei ist dann eigentlich gar nicht so schlecht. Natürlich immer noch viele Fehler, die Angst vor dem Versagen ist spürbar, aber es erwacht in der Mannschaft der Kampfgeist, die Chance nicht wieder so herzuschenken wie in Unterhaching. Aber es würde eines dieser Spiele werden, in dem der Keeper alles hält, was zu halten ist, und unsere Stürmer das, was der Keeper nicht halten kann, an den Pfosten oder neben das Tor setzen... oder drüber... mehrfach ist mir der Torschrei auf den Lippen erstorben, ob bei Berbos Pfostenschuss, bei Bastürks oder Lucios Schüssen... jedesmal kurz davor, vor Freude auszurasten, weil es war ja klar, wenn wir das 1:1 schaffen, dann kommt auch direkt der Siegtreffer hinterher. Es war eines dieser Spiele, in denen es so gelaufen wäre, hundertprozentig. Dann wäre die Barriere im Kopf weggewesen. Aber es stand 0:1 und es änderte und änderte sich nichts. Es blieb wahrscheinlich nur das Hoffen auf den HSV. Aber auch von dort keine guten Nachrichten. Dortmund führte und das bedeutete genau das Gegenteil dessen, was wir uns erträumt hatten. Nicht wir waren uneinholbar vorne, nein, der BvB hatte uns überholt.
Es sollte so kommen. In Hamburg wogte das Spiel hin und her, auch die Nürnberger hätten noch das 2:0 machen können. Mit dem Abpfiff war es dann aber geschehen. Endgültig. Dortmund war an uns vorbeigezogen. Unfassbar. Eine Stimmung im Block wie in Unterhaching. Totenstille. Fassungslosigkeit. Nur zwei Jahre später lief genau der gleiche Film noch einmal ab. Wie angewurzelt stand ich im Block. Total daneben. Habe nur weit entfernt mitbekommen, dass sich der Block leerte. Habe minutenlang nur starr geradeaus schauen können. Nichts, aber auch gar nichts, was ich dann noch mitbekommen habe, Tränen in den Augen, die liefen von ganz alleine. Fertig mit der Welt. Das konnte nicht wahr sein. Wieder die gleiche Scheisse wie vor zwei Jahren. Diesmal war es nicht nur Enttäusschung. Undefinierbare Wut hat sich auch in die Gedanken gemischt. Alle waren schuld. Diesmal hatten sie richtig versagt. Einmal konnte so etwas passieren, aber zweimal? Nein, das war auch kein Spiel, nachdem man die Mannschaft hätte bejubeln können. So wie beispielsweise nach dem Endspiel in Glasgow. Nein, hier und heute nicht. Irgendwann spürte ich dann eine Hand auf meiner Schulter und kam wieder zurück in die Welt. Der Block war fast völlig leer, meine Mitfahrer alle verschwunden, einer war vom Auto dann nochmal zurückgekommen mich suchen. Fix und fertig mit den Nerven hat er mich dann zum Auto geschleift, hineingesetzt und dann die Türe geschlossen. Selbst das Bier konnte ich mir nicht alleine aufmachen. Von Nürnberg gings dann auch ohne Zwischenstopp nach Hause. Diesmal gottseidank keine Bazis, die uns ärgern konnten, aber es war wieder ein Scheisstag gewesen.