Dass ANDRÉ SCHÜRRLE (19, Mainz) im Juli 2011 zu Leverkusen wechselt, ist nahezu perfekt. Wie gut ist der Kerl, der mit Hoffenheim bereits einig war?
Es ist schwer, in diesen Tagen an André Schürrle vorbeizukommen. Am Dienstag erreichte der mediale Hype seinen vorläufigen Kulminationspunkt. Alle führenden nationalen Blätter huldigten in dicken Lettern dem Mainzer „Juwel“ (Süddeutsche Zeitung). Sogar das ARD-Morgenmagazin strahlte einen Beitrag aus. Dabei fragen sich Fans wie Experten: Ist dieser Bursche in der Tat ein solches Talent, das eine Zehn-Millionen-Euro-Offerte von Hoffenheim rechtfertigt?
Was sich beantworten lässt, ist die Frage nach den fußballerischen Qualitäten des 19-Jährigen, der 2009 unter Thomas Tuchel Deutscher A-Juniorenmeister wurde und auf Anhieb zum Stammspieler in der Eliteklasse aufstieg (sieben Tore). Auf den ersten Blick sticht der unglaubliche Speed des Offensivmanns ins Auge – auch mit Ball und auf technisch unverändert hohem Niveau, gepaart mit präzisem Torabschluss. Wird er nicht bei der Ballannahme gestört, schafft es der Tempodribbler in Windeseile und mit Körperfinten, mit einem Kontakt am Gegner vorbeizuziehen. Bei seinen Toren gegen Wolfsburg und Kaiserslautern war das zu sehen. Zu seiner immensen Laufstärke sagt er: „Ich will wieder und immer wieder so viel laufen, dass ich nachts kaputt ins Bett falle und denke, ich könnte nicht mehr aufstehen.“
Den Willen und die Bereitschaft, die in diesem Satz stecken, zeigt Schürrle aber nicht nur im Offensivspiel, sondern erst recht bei gegnerischem Ballbesitz. „Sein Fleiß gegen den Ball, das Aufopfern für das Team ist für mich sein hervorstechendes Merkmal und der Kern, warum er so gut geworden ist“, erklärt Co-Trainer Arno Michels. Fasst man das zusammen, schält sich dieses Profil heraus: Ein extrem mannschaftsdienlicher und rasend schneller Pressingspieler, der weiß, wo das Tor steht und klar im Kopf ist. Kurzum: der Prototyp des modernen Fußballers. Und gewisse Parallelen zu Thomas Müller sieht selbst Schürrle. „Bei ihm schaue ich mir Dinge ab, weil er einen ähnlichen Stil hat“, gesteht der Offensivmann, der sich auf den Außenpositionen am wohlsten fühlt.
Kein Wunder also, dass sich Spitzenklubs um ihn bemühen. Aber an diesem Punkt lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Eine konkrete Anfrage oder gar ein Angebot von ManUnited oder dem FC Bayern hat es nie gegeben. Das ist verbrieft. Das kolportierte Interesse diente wohl nur dazu, den Preis hochzutreiben. Unterdessen duellierten sich Hoffenheim und Leverkusen. Nach kicker-Recherchen war sich Ralf Rangnick bereits im Mai mit Schürrle einig, und wenn die beiden Klubs miteinander klargekommen wären, wäre der ohne Ausstiegsklausel bis 2013 gebundene Profi bereits in diesem Sommer gewechselt. Aber bei den vielen Gesprächen mit Manager Christian Heidel liefen die Kraichgauer wie gegen eine Wand. Wohl, weil Mainz den Spieler bis 2011 behütet wissen möchte, um ihn dann nach Leverkusen abzugeben.
Nach der kicker- Veröffentlichung vom Montag beeilte sich Heidel zwar mit der Feststellung, „dass keine Transfervereinbarungen vorliegen“, die Einigung steht jedoch unmittelbar bevor. Darauf deutet auch Heidels Aussage gegenüber einem sportlichen Verantwortungsträger eines Bundesligisten hin, dem er in einem Telefonat mitteilte, „dass wir ziemlich weit sind mit einem Verein“. Leverkusen. Geschätzte 8,5 Millionen Euro werden wohl fällig. Die Verkündung des Wechsels erfolgt womöglich schon an diesem Donnerstag. Bayer passt perfekt in Schürrles Karriereplanung, denn auch ein Michael Ballack wählte zunächst die Zwischenstation Leverkusen auf dem Weg zu einem absoluten Topklub. Die Abwicklung verlief letztlich so schnell, weil Schürrle ein Typ ist, der klare Verhältnisse braucht, um optimale Leistung abzurufen. Und daran ist auch Mainz gelegen.
UWE RÖSER/ULI GERKE
Quelle: kicker-Printausgabe vom 16.09.10