Meine Kommilitonin hatnmir erlaubt ihren Bericht hier zu veröffentlichen... Ich, der seit 16 Jahren zu Fußball geht, finde ihn sehr amüsant und lässt mich manche dinge mit etwas anderen Augen sehen....
Erlebnisbericht Fußballspiel Fortuna Düsseldorf- MSV Duisburg
1. November 2010
1. Vor dem Spiel
Ich gehöre zu der Person Menschen die sich nichts aus Fußball machen. Wenn mein Freund seine Jungs einlädt und sie Bier trinkend den Fernseher anschreien, gehe ich joggen oder suche sonst wie das Weite. Das Seminar ,,Soziale Arbeit und Fußballfans“ besuchte ich ursprünglich nur um meinen letzten Schein zu machen. Mir lag es fern, irgendwelche Regeln, Spielernamen oder Vereinsdaten zu lernen. Fußball braucht kein Mensch.
Und jetzt lerne ich eine neue und interessante Herangehensweise an das Thema. Ich taue langsam auf und finde das kritische Hinterfragen total spannend. Um meine Argumentationsgrundlage zu untermauern, wollte ich mir endlich mal ein Spiel im Stadion anschauen.
Der Termin war fest: Fortuna gegen den MSV. Und alle sagten ,,Oh oh, das wird knallen“ oder ,,mutig, mutig!“ Warum? Keine Ahnung, ich wollte hingehen aber nur in Begleitung. Zwei Kommilitonen erklärten sich bereit und wir trafen uns am Spieltag vor dem Hauptbahnhof und fuhren los. Ich hatte mich extra in unauffälligen Farben gekleidet da ich der Annahme war dass, alle besoffen sind und es widerlich dreckig sein wird. Von dem katastrophalen Zustand der Toiletten wurde im Seminar berichtet, wer will sich schon seine Sachen versauen? Zudem würde ich ungern als Frau unter den ganzen Asis auffallen wollen. Einfach rein schleichen und Mäuschen spielen war mein Plan.
2. In der Arena
Auf dem Parkplatz angekommen, wurden wir von einem ausgesprochen höflichen Parkplatzeinweiser empfangen. ,,Guten Abend. Sie können hier hinter den Duisburger parken.“ Ich war überrascht und meine Begleiter deuteten das als gutes Omen. Wieso? Keine Ahnung. Ich wusste nicht was mich erwartet und langsam schwand mein Mut.
Die Fussballassis waren sofort erkennbar nur das Kassenhäuschen war erst nach langer Suche auch gefunden. 13 Euro ermäßigt. Dafür kann man gute Unterhaltung verlangen (Ich ertappte mich beim Vergleich zu Kinokarten: Kino ist günstiger UND gemütlich!). Während wir noch Witze über Brot und Spiele rissen, machten wir uns auf den weg zum Eingang und ich war mir sicher: das war keine gute Idee hier her zu kommen. Was ist wenn es echt knallt und ich bin mittendrin? Wenn ich in eine Schlägerei gerate? Was, wenn mich die Betrunkenen entdecken und mich anpöbeln, wer wird mir helfen? Wie komme ich da wieder raus? EINGANG: Abtasten. Nein nicht von dem unfreundlichen Mann, von der netten jungen Frau dahinter. Ich wurde weitergeleitet. Sie lacht wegen meinem dicken Schal und entschuldigt sich weil sie so darin herumwühlen muss. „Ist zu Ihrer Sicherheit!“ sagt sie und ich bin verwundert weil das alles gar nicht so schlimm war. Dann sind wir drinnen.
Und an dieser Stelle war ich echt geschockt!
Am Bahnhof habe ich noch Scherze gemacht über fette Fußballfans, die nicht mal 10 Meter rennen können ohne Herzattacken zu bekommen. Was sich hier zeigte war der Wahnsinn und mein Gymnastiklehrerinnenherz blutete: Würstchenbuden, Pommesstände, Bier im Überfluss und alternativ ekelhafte Colascheiße mit viel Zucker und Koffein. Wo bin ich da gelandet? Auf einer Sportveranstaltung? Ich hätte zu gerne mal die Blutfettwerte der Fans getestet oder ihren Cholesterinspiegel! Das ist gesundheitlicher Raubbau! Gnade denen mit der Dauerkarte. Wo ist das Gesundheitsbewusstsein hin, wo ist der Zusammenhang von Sport und guter Ernährung geblieben. Ich vergaß: nur weil man Fußballfan ist, heißt das nicht, dass man auch selber Sport macht bzw. sich für solche Nebensächlichkeiten wie Ernährung und Gesundheit interessiert. Am besten noch zu Hause sitzen, vor dem Bildschirm mit Tiefkühlpizza und Bier. Ekelhaft, eine Schande, ein Alptraum.
Und zu allem Überfluss bemerkte ich dann, dass es kaum Fußballasis um mich herum gab. Männer, Frauen, Jugendliche. Auf einen Blick konnte ich sehen, dass ich wohl eher nicht zu einer „Minderheit“ gehöre, sondern mich in ein buntes Bild von Fußballkonsumenten fügte. Menschen mit Behinderung waren im Rollstuhl da, Herren im Anzug (wahrscheinlich von der Messe nebenan vorbei gekommen), schicke Leute, normal gekleidete Leute und viele, viele Rot-Weiß gekleidete Leute. Nur kleine Kinder habe ich keine gesehen, aber das mag auch an dem Block gelegen haben, für welchen wir unsere Karten gekauft hatten. Angesichts der vielen Frauen fühlte ich mich recht wohl und brauchte nur zwei Bier um in Stimmung zu kommen. Ja, ich gebe zu: ohne Bier wäre der Abend für mich noch langweiliger verlaufen…
3. Das Spiel
… denn kaum saßen wir im Stadion auf unseren Plätzen, fragte ich mich wieder mal warum ich eigentlich da war. Ach ja, der Selbsttest fürs Seminar! Ich habe gedacht dass es spannend wird und ich mittendrin sein werde. Welcher Art diese Spannung sein soll konnte ich mir nicht vorstellen. Schlägerei, Rauchbomben, kriegsähnliche Zustände, Blut. Ich war auf alles mental vorbereitet, aber es passierte nichts. Wir fingen an uns untereinander angeregt zu unterhalten, klatschten mit wenn das Publikum klatschte und standen auch ein paar Mal mit auf um besser sehen zu können. Aber spannend war das nicht. Da hätte ich auch mit den Jungs Kaffee trinken gehen können. 13 Euro für Brot und Spiele und wir sehen nicht mal ein geschossenes Tor. Ja ich kann verstehen warum mein Freund den Fernseher anschreit, immerhin hat er sich PayTv extra für die Fußballspiele angeschafft. Nur die Stimmung in den Fankurven war super. Beide Seiten machten enorm Krach und es war schön anzuschauen wie sich tausend Arme gleichzeitig bewegten und die Fangesänge wie eine einzige Stimme durchs Stadion hallten. Ich frage mich allerdings wie viel man von dem Spiel tatsächlich mitbekommt wenn man eine riesige Fahne schwenken muss oder hüpfend und grölend darauf achtet was als nächstes geschrieen werden soll?!
Drei oder viermal haben die Duisburger Inferno-Fans in ihren eigenen Reihen Rauchbomben gezündet. Immerhin ein wenig Spektakel was meine Erwartungen erfüllte. Aber ob es Blut gab weiß ich nicht. Der nette Stadionsprecher wies nur jedes Mal total freundlich darauf hin, dass die lieben Fans doch bitte zu ihrer- und unserer Sicherheit davon absehen sollten Feuerwerkskörper im Stadion zu zünden. Na ja.
Nach meinen zwei Bier und der Halbzeit bin ich dann auf die Damentoilette gegangen, obwohl ich das ja vermeiden wollte, wegen der katastrophalen Zustände. Auch hier ein anderes Bild als erwartet: reine, weiße, saubere Toiletten mit ausreichend Toilettenpapier. Nicht einmal anstehen musste ich. Seife im Seifenspender und sogar Abtrockentücher! Eine Wohltat im vergleich zu den FH Toiletten die wir Studenten kennen. Ich war überrascht wie falsch mein Bild von einem Fußballstadion und den damit verbundenen Einzelheiten war.
Kurz vor Ende gingen die ersten Menschen von den Rängen. Keine schlechte Idee, da man dann nicht in Gedrängel zum Ausgang- oder in den Stau kommt. Und an dieser Stelle fiel ein Toooooooor! Ein Tor für Fortuna Düsseldorf! Das Stadion bebte. Ich war mittendrin. Unglaublich wie dieser Jubelschrei sich auf alles ausbreitete was eben noch vor Langeweile gähnend auf den Sitzen saß (mich eingeschlossen). Als Düsseldorferin musste ich grinsen und sagte halblaut ,,endlich haben wir ein Tor geschossen“. Das allumfassende WIR. Ich musste an das Seminar denken und merkte, wie schnell es geht zu den Siegern zu gehören. Ja, plötzlich war ich Fortuna Fan und zählte zu der Masse um mich herum.
4. Ende der Geschichte
Besonders beim Heimweg zum Auto war ich mir selber dankbar, dass ich „neutral“ gekleidet war: wir mussten mit allen Duisburg-Fans zum Ausgang weil auf der Seite das Auto stand. Halblaut sagten wir „schade, dass wir verloren haben“ und „na ja, beim nächsten Mal“. Hauptsache nicht jetzt noch in irgendeine Schlägerei geraten. Aber wahrscheinlich war das einfach nur mein Bild von Fußballfans. Letztendlich waren die Menschen um uns herum ganz friedlich auf dem Weg zu ihren Sammelbussen. Ekelhaft fand ich nur, dass überall die Typen standen und gepinkelt haben, als wären wir nicht da. Wie schon gesagt: die Stadiontoiletten waren echt sauber.
Und als ich dann zu Hause war hatte ich mir schon das Fazit überlegt: nicht noch mal Fußball weil…
• ich für 13 Euro (plus Getränke) lieber etwas Kulturelles mache.
• ich erwartet hätte dass es wenigstens so abschreckend wird, dass ich mich nicht mal
rechtfertigen muss.
• ich das Essen und die Getränke zu teuer und zu ungesund finde (Jahaaaa!).
• ich die Stimmung zwar super fand, aber nicht dazu gehörte.
• ich mit der Ästhetik von Fußball nichts anfangen kann.
• ich kein Freund von Menschenmengen bin.
• ich mich nie für Fußball interessiert habe und das kein Erlebnis war, was meine Meinung ändern
könnte!