Er musste viel durchmachen. Nun aber ist er fit wie nie. Leverkusens Abwehrspieler ÖMER TOPRAK (24) will das auch gegen Paris beweisen.
Herr Toprak, Ihre Kollegen Gonzalo Castro und Lars Bender erklärten im kicker, Paris St.-Germain sei stärker als Manchester United. Glauben Sie das auch?
Auf jeden Fall! Das ist eine superstarke Mannschaft, die ganz sicher nicht nur aus Zlatan Ibrahimovic besteht. Sie sind schon im vergangenen Jahr nur ganz knapp an Barcelona gescheitert.
Angesichts der Leverkusener Pleiten gegen Manchester United kann einem da angst und bange werden . . .
Angst gibt es nicht. Wir gehen am Dienstag raus und geben alles. Und dann schauen wir, wozu das reichen wird.
Unser Sonderheft zum Achtelfinale der Champions League heißt „Der Traum“. Welche Träume haben Sie?
Wenn wir anfangen zu träumen, dann verlieren wir die Orientierung. Es ist einfach zu viel zu tun. Wir hatten Mönchengladbach, Kaiserslautern, Schalke; jetzt kommt Paris, dann müssen wir nach Wolfsburg. Wenn wir träumen, geht die Konzentration flöten. Und das können wir uns nicht erlauben.
In sechs Gruppenspielen kassierte Bayer zehn Gegentore, neun in zwei Spielen gegen Manchester, nur eines in den restlichen vier Partien. Wo liegt die Wahrheit über Leverkusens Defensive?
Es ist ganz einfach: Gegen Manchester waren wir schlecht, vor allen Dingen im Heimspiel. Aber wenn wir alle 90 Minuten gemeinsam alles bringen, sind wir stark. Dann wird es schwer, gegen uns Tore zu schießen. Aber nur dann.
Haben Sie eine persönliche Erfahrung mit Stürmer Zlatan Ibrahimovic?
Es ist mein erstes Spiel gegen ihn.
Was erwarten Sie?
Dass er sich in Top-Form präsentiert. Wir wissen, dass man ihn nicht 90 Minuten ausschalten kann. Aber wir werden alles versuchen, es ihm an diesem Abend so schwer wie möglich zu machen.
Hand aufs Herz: Gibt es eine Chance auf das Viertelfinale?
Machen wir uns nichts vor: Paris ist Favorit. Das ist ein absolutes Top-Team und sicher nicht am Ende der Entwicklung. Wenn wir etwas reißen wollen, brauchen wir zwei ganz starke Tage, Paris muss zwei schwache erwischen. Es wird ganz wichtig sein, kompakt zu stehen. Wir werden eine Menge arbeiten müssen. Konzentration, Leidenschaft, alle elf Mann müssen bereit sein, nach hinten zu arbeiten – das muss weiter unser Ziel sein. Und wir können das!
Woher nehmen Sie die Zuversicht? Im Pokalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern blamierte sich Ihr Team kräftig, gegen Schalke gab es erneut eine Heimniederlage.
Eine Leistung wie gegen Kaiserslautern ist nicht zu erklären. Da müssen wir uns alle an die Brust klopfen, jeder muss sich fragen, wie so etwas passieren kann. Ich habe auch keine Erklärung und war eigentlich davon überzeugt, dass wir nicht so schlecht spielen können. Leider musste ich mich von Gegenteil überzeugen lassen. Aber ich bin sicher, dass wir auch aus dieser Pleite lernen. Gegen Schalke haben wir trotz der Niederlage ein ordentliches Spiel gezeigt, das war nicht zu vergleichen mit dem Pokalspiel. Wir haben unglücklich verloren.
Was stimmt Sie weiterhin positiv?
Wir haben eine Entwicklung durchgemacht. Bernd Leno, Lars Bender, Simon Rolfes, Gonzalo Castro, Stefan Reinartz, Sidney Sam, Stefan Kießling und ich spielen jetzt seit mittlerweile drei Jahren zusammen. Wir haben eine Menge gelernt, jeder für sich, aber auch für die Gruppe. Deshalb sind wir in der Liga konstanter und stabiler als früher.
Erklärt die gemeinsame Vergangenheit auch den Teamgeist, den Sportchef Rudi Völler nach dem Sieg in Mönchengladbach so herausgestellt hat?
Ja, ohne Zweifel. Der ist gewachsen und auch nicht so schnell zu erschüttern. Und der ist auch ein Grund dafür, dass wir nach den drei Niederlagen zurückgekommen sind. Ich bin überzeugt davon, dass der Teamgeist eine Menge ausmacht.
Ihr Nebenmann Emir Spahic kickt erst seit ein paar Monaten in Leverkusen. Welche Rolle spielt er?
Emir bringt eine ganze Menge Erfahrung mit. Er hat in vielen Klubs gespielt, in richtig guten Ligen. Er ist Kapitän von Bosnien-Herzegowina, ein absoluter Leader. Emir tut uns gut.
Ihnen persönlich auch?
Ja, ganz sicher. Er tut auch mir gut. Meine Stabilität hat ganz bestimmt mit ihm zu tun. Er ist einer, bei dem ich mir schon ein paar Sachen abgeschaut habe, bei der Zweikampfführung zum Beispiel oder auch im Stellungsspiel. Hoffentlich wird er bald wieder fit.
Sehen die Zuschauer aktuell den besten Ömer Toprak aller Zeiten?
Mag sein. Das sollen andere beurteilen.
Ist der schlimme Kart-Unfall verarbeitet?
Die Verletzungen waren schlimm, es kamen dann noch Folgeverletzungen dazu. Es wurden immer wieder Vergleiche angestellt: Wie hat er früher gespielt, wie spielt er jetzt. Das war nicht immer einfach. Aber ich bin heute fitter denn je, körperlich und mental.
Was mussten Sie dafür tun?
Holger Broich, unser Konditionstrainer, hat mir im Sommer einen individuellen Trainingsplan ausgearbeitet. Den habe ich mit den Physios abgearbeitet, und das hat mir gutgetan. Ich regeneriere besser und schneller, das ist ganz wichtig bei unserem Programm.
Die deutsche Nationalelf hat Bedarf auf der Innenverteidigerposition. Haben Sie schon bereut, sich für die Türkei entschieden zu haben?
Nein, ich habe die Entscheidung für die Türkei ja nach vielen Gesprächen und aus voller Überzeugung gefällt.
Aber Sie waren zuvor U-Nationalspieler für den DFB . . .
Ich habe drei Spiele gemacht. Es klingt immer so, als hätte ich Dutzende U-Länderspiele gemacht. Es waren drei. Und mit dem letzten bin ich U-19-Europameister geworden. Ist doch eine tolle Bilanz, oder?
Sind Sie ein Star in der Türkei?
Klar sind die Nationalspieler da sehr populär. Aber die Jungs, die in der Süperlig spielen, die erfahren eine sehr viel größere Verehrung. Da geht es bei mir viel ruhiger zu.
Türkische Medien bringen Sie regelmäßig mit Istanbuler Großklubs in Verbindung. Wo sehen Sie Ihre Zukunft?
Ich habe bis 2018 bei Bayer Leverkusen verlängert und fühle mich sehr wohl, mir macht das riesigen Spaß hier.
Wo sehen Sie sich in vier Jahren?
Ich bin kein Typ, der gerne in die Zukunft schaut.
Machen Sie bitte eine Ausnahme und tippen Bayers Gegner im Viertelfinale der Champions League?
Wenn wir das erreichen, ist mir völlig egal, gegen wen wir spielen. Mit der Champions League ist mein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Einmal da stehen und die Hymne hören – da wollte ich hin. Jetzt stehe ich zum zweiten Mal im Achtelfinale. Mal sehen, wo es noch hingeht!
INTERVIEW: FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 17.02.14