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kicker: Es gibt nicht wenige Experten, die von Deutschlands künftiger Flügelzange Müller und Schürrle schwärmen. Muss sich Lukas Podolski warm anziehen?
Schürrle: Wenn es so kommt, freue ich mich riesig. Aber Lukas hat so viel mit der Nationalelf erreicht und eine unglaubliche Quote. Für mich ist er absolut gesetzt.
kicker: Wie sehr fühlen Sie sich mit ihren zwei Einsätzen überhaupt schon als Nationalspieler?
Schürrle: Als gestandener Nationalspieler fühle ich mich erst, wenn ich ständig eingeladen werde, selbst wenn es in der Liga nicht so läuft.
kicker: Bewegen Sie sich mittlerweile sicherer innerhalb der Gruppe?
Schürrle: Vieles ist immer noch neu und nicht selbstverständlich. Die Gespräche mit den großen Spielern, den Weltstars in der Nationalmannschaft zum Beispiel.
kicker: Auf welchem Level bewegt sich die deutsche Nationalelf?
Schürrle: Wir gehören zur absoluten Weltspitze. Ich bin mir sicher, dass wir die nächsten Jahre Titel gewinnen. Das ist unser Anspruch.
kicker: Ist Spanien 2012 fällig?
Schürrle: Sie stehen momentan über allem. Aber die nächsten Jahre darf man einiges von uns erwarten.
kicker: Sie debütierten in der Nationalelf, schossen Mainz in die Europa League und wechseln für über zehn Millionen Euro zu Leverkusen, wo sie künftig Champions League spielen. Welcher Superlativ passt, um das zu beschreiben?
Schürrle: Es ist schwer, das in Worte zu packen.
kicker: Über welchen Titel reden wir im nächsten Sommer, wenn es bei Ihnen in diesem Tempo weitergeht: Deutsche Meisterschaft, Champions League oder den EM-Thron?
Schürrle: Man sollte nicht so weit in die Zukunft schauen. Ich möchte im Hier und Jetzt meinen Job bestmöglich erledigen und mein Spiel verbessern. Der Rest kommt von alleine, da bin ich mir ganz sicher.
kicker: Der Trainer erzählte, sie hätten ihre Karriere und die nächsten Jahre komplett geplant. Sah dies die Champions League bereits im dritten Bundesligajahr vor?
Schürrle: Wir haben nicht exakt ausgearbeitet, was Jahr für Jahr kommen soll. Ich habe vor meiner Karriere mit meinem Vater und meinem Berater nur versucht, einen groben Plan aufzustellen. Und dazu gehörte die Champions League. Dass sie so früh kommt, mit 20 Jahren, hätte ich nie gedacht. Ich bin aber nicht so blauäugig zu glauben, es geht immer so weiter. Im Moment läuft es unglaublich gut. Und ich werde auch die nächsten Schritte gehen, weil ich sie gehen will.
kicker: Demnach ist Leverkusen nur ein Zwischenschritt?
Schürrle: Keinesfalls. Für mich ist Bayer ein absoluter Traumverein, ich mochte ihn schon immer. Mir gefällt dieser attraktive Offensivfußball.
kicker: Und wie gefällt Ihnen die Bezeichnung Vizekusen?
Schürrle: Ich bin mir sehr sicher, dass Bayer in den nächsten Jahren Titel holen wird. Warum sollte das nicht möglich sein? Wir haben eine überragende Mannschaft. Ich habe bewusst für fünf Jahre unterschrieben. Ich will Titel gewinnen.
kicker: Das hat Sahin mit Dortmund auch. Verstehen Sie, dass er geht?
Schürrle: Es hat mich überrascht. Aber wenn ich seine Interviews lese, habe ich den Eindruck, er ist reif für diesen Schritt. Deshalb ist der Zeitpunkt keinesfalls zu früh. Wenn Real anklopft, ist es schwer, zu widerstehen. Und ich bin mir sicher, dass er in Madrid seinen Weg geht. Durch Özils Erfolg bei Real ist die Hemmschwelle geringer, einen solchen Schritt zu wagen.
kicker: Sie hatten den Vertrag bereits früh in der Saison in der Tasche. Wie konnte Mainz sicher sein, dass Sie bis zum Ende Gas geben?
Schürrle: Hätte ich mich in meiner Karriere zurückgelehnt, wäre ich jetzt kein Nationalspieler. Es ist nicht mein Naturell, es locker angehen zu lassen. Am Ende bin ich selbst doch der Leidtragende, wenn ich ein Jahr verschwende.
kicker: 15 Saisontore gelangen nach Jürgen Klinsmann keinem 20-Jährigen mehr. Wie hat sich ihr Standing bei Mainz 05 verändert?
Schürrle: Ich habe immer mehr gespürt, dass mich die Mitspieler wertschätzen und sich auf mich verlassen. Es macht einen 20-Jährigen stolz, wenn die Älteren zu einem kommen. Das tat mir unglaublich gut und trieb mich voran.
kicker: Haben Sie in heiklen Momenten das Wort erhoben?
Schürrle: Das nicht. Ich bin zwar einer, der eher zu viel als zu wenig redet und gerne Späße macht. Aber für schwierigen Momente gibt es in Mainz die Führungsspieler. Da ist man als 20-Jähriger dankbar, nicht das Wort ergreifen zu müssen.
kicker: Sie bräuchten den Tritt in den Hintern, sagten Sie im Winter. Muss Ihr neuer Trainer Robin Dutt künftig Tuchels Part übernehmen?
Schürrle: Auch Fußballer entwickeln sich weiter, glauben sie mir. In der Rückrunde gab es nur eine kurze Phase, in der Tuchel das Gespräch suchte – nach meinem ersten Einsatz in der Nationalmannschaft über neunzig Minuten. Ich glaube, es wird künftig immer weniger nötig sein.
INTERVIEW: UWE RÖSER
Quelle: kicker-Printausgabe vom 26.05.11