Adler: „ Diese Indiskretionen – das hat mich total enttäuscht“

  • Er war die deutsche Nummer 1 – dann das Tief: RENÉ ADLER (26) spricht über die WM, die Erfüllung eines Traums und die Perspektiven mit Leverkusen.



    kicker: Seit einer Woche sind Sie im Training. Wie ist Ihr Eindruck vom neuen Coach, von seiner Arbeit?


    René Adler: Der erste Eindruck ist positiv. Robin Dutt ist ja ein vergleichsweise junger Trainer, er ist sehr aufgeschlossen und arbeitet akribisch mit seinem Team.


    kicker: Woran machen Sie Änderungen fest?


    Adler: Die Besprechung jeder Trainingseinheit ist sehr ausführlich. Und Power-Point-Präsentationen bei diesen Vorgesprächen hatten wir bislang auch nicht.


    kicker: Bringt’s was?


    Adler: Ohne das 4:0 gegen Red Bull Salzburg zu hoch zu hängen, aber da hat man gesehen, dass auch nach so kurzer Zeit verschiedene taktische Dinge schon greifen.


    kicker: Der Trainer will von Platz zwei nach oben schauen. Schließen Sie sich dem an?


    Adler: Es ist sicher gut, hohe Ziele zu stecken. Klar haben wir uns die Qualifikation für die Champions League auf die Fahne geschrieben. Wir haben uns qualitativ gut verstärkt. Wir können den Anspruch stellen, ganz oben mitzumischen. Jetzt freuen wir uns erst einmal unglaublich auf die Champions League.


    kicker: Es wird Ihre Premiere in der Königsklasse. Mit welchen Gefühlen denken Sie an diese Spiele?


    Adler: Da ist einfach nur Vorfreude. Ich habe das ja bisher nur als Zuschauer erlebt, damals in Leverkusen auf der Tribüne. Wenn ich die Hymne gehört habe, das war Gänsehaut pur. Da bin ich abends mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen. Und dann habe ich geträumt, da mal zu spielen. Und jetzt wird der Traum Wirklichkeit.


    kicker: Die Weltmeisterschaft 2010 war ebenfalls einer Ihrer Träume. Er zerplatzte wegen einer schweren Verletzung. Denken Sie heute noch mit Wehmut an dieses dunkle Kapitel?


    Adler: Ich will da eigentlich gar nicht mehr drüber reden. Das Thema wurde in der Vergangenheit ausreichend besprochen.


    kicker: Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?


    Adler: Die Sache hat mich sicherlich reifen lassen. Bei mir ist es von null auf hundert gegangen. Und dann kam diese Verletzung, die mich hinderte, mein großes Ziel zu erreichen. Und damit muss man sich auseinandersetzen.


    kicker: Das konnten Sie?


    Adler: Ja, weil gerade das eine meiner Stärken ist. Aus Rückschlägen die richtigen Lehren zu ziehen.


    kicker: Welche?


    Adler: Dass man die richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung haben sollte, um kontinuierlich Topleistung zu bringen. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Typ, fast schon perfektionistisch. Ich habe gelernt, dass weniger manchmal mehr ist. Das bedeutet nicht, dass ich weniger trainiere. Man kommt nur in der Karriere an Punkte, an denen man sein Spiel, sein Training oder die persönliche Vorbereitung hinterfragt und nach Möglichkeiten sucht, diese zu optimieren. Kein großer Spieler beendet seine Karriere so, wie er sie begann.


    kicker: Uns kam es so vor, als hätten Sie sich leistungsmäßig in der Rückrunde der vergangenen Saison zurückentwickelt. Täuschte der Eindruck?


    Adler: Ich war schwächer als in der Hinrunde. Das ist richtig. Aber was daraus gemacht wurde, war teilweise nicht in Ordnung.


    kicker: Warum waren Sie nicht mehr so stark?


    Adler: Das hatte einige Gründe, wir reden nur über die sportlichen. Die Hinrunde hat enorm Kraft gekostet. Wir hatten viele Verletzte und eine Menge Spiele. Da musste jeder von uns erfahrenen Spielern vorangehen. Das haben wir gut gemacht.


    kicker: In der Rückrunde nicht mehr?


    Adler: Wir sind Zweiter geworden. Da kann nicht alles so schlecht gewesen sein. Und ich war fünf Jahre lang der notenbeste Spieler in Leverkusen. Da reicht eine normale Leistung nicht mehr aus. Als Nationalspieler wirst du eben anders beurteilt. Der eigene Anspruch wird höher, dem bin ich im einen oder anderen Spiel nicht gerecht geworden. Aber es war sicherlich nicht alles schlecht.


    kicker: Wie sehr störte Sie in dieser Phase, dass Details mit angeblichen Gehaltsforderungen publik wurden?


    Adler: So etwas ist völlig unnötig. Und da geht es nicht um mich. Solche Indiskretionen zum diesem Zeitpunkt einer Saison, wo es um Platz zwei geht, schaden der Mannschaft, sie bringen Unruhe in den Verein. Das hat mich total enttäuscht und das habe ich auch intern kundgetan.


    kicker: Sehen Sie Ihre Zukunft in Leverkusen?


    Adler: Mein Berater hat Kontakt zu Bayer. Ich will mich jetzt optimal auf die neue Saison vorbereiten und deshalb haben wir das Thema zur Seite geschoben. Und das ist mir aktuell sehr recht.


    kicker: Gibt es eine Frist?


    Adler: Nein, so etwas gibt es nicht.


    kicker: Ist das Tischtuch zerschnitten?


    Adler: Nein, für solche Gedanken bin ich zu lange im Geschäft. Aber ein bisschen Bedenkzeit räume ich mir schon ein.


    kicker: Zurück zur neuen Saison: Kann Bayer in der kommenden Saison eine ähnliche Rolle spielen wie Borussia Dortmund zuletzt?


    Adler: Wenn wir beide Teams nehmen und Spieler für Spieler vergleichen, dann schneiden wir ganz gut ab. Aber – und damit will ich nicht unsere Leistung schmälern – der BVB hat als Team Herausragendes geleistet. Und das machte den Unterschied aus. Und was wir nie vergessen dürfen: Wir reden hier gar nicht über das stärkste deutsche Team. Die Bayern haben ein Trainerteam, dessen Qualitäten wir ganz genau kennen. Diese Mannschaft wird schwer zu schlagen sein. Wir wollen ganz nach oben. Aber wenn es so käme wie zuletzt, wäre das auch okay. Ich will jetzt nicht Platz zwei als Ziel ausgeben. Aber die direkte Qualifikation für die Champions League ist ganz wichtig.


    kicker: München, Dortmund, Leverkusen – wird es sich darauf konzentrieren in der Ligaspitze?


    Adler: Das ist schwer zu sagen. Jupp Heynckes hat immer gepredigt, man soll sich auf das nächste Spiel konzentrieren. Das ist völlig richtig. Man kann keine Prognose auf der Basis der letzten Saison abgeben. Dazu ändert sich einfach zu viel.
    INTERVIEW: FRANK LUßEM




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 07.07.11