LEVERKUSEN: Zweikampf mit Kumpel Kießling geht weiter
Wie die Saite eines Bogens spannt sich der Körper, im exakt richtigen Augenblick schnellt der Kopf nach vorne und mit unglaublicher Wucht landet der Ball im Netz. Keine Chance für David Yelldell, den neuen dritten Torhüter von Bayer Leverkusen. Mit Urgewalt kam dieses Geschoss von Eren Derdiyok, ein Kopfball wie ein Schuss, für den der Schweizer Beifall auf offener Szene von den Kollegen im Trainingslager kassierte.
Ein paar Tage vorher. Der fein getimte Pass von Renato Augusto fliegt genau in den Raum zwischen Stürmer und Torwart. Mit einer Schnelligkeit, die man seinem athletischen Körper nicht sofort zutraut, ist Eren Derdiyok vor Salzburgs Torhüter am Ball und lupft die Kugel mit Eleganz über Edward Gustafsson ins Netz.
Zwei Szenen zum Genießen. Zwei Szenen, die viel von dem zeigen, was Eren Derdiyok zu bringen in der Lage ist. Kraft, Technik, Schnelligkeit, Wucht, Eleganz – viele Experten halten den jungen Schweizer (23) für einen kompletten Stürmer. Und Derdiyok selbst? Der sagt „Danke“ und relativiert diese Aussagen: „Es reicht nicht, über die Talente zu verfügen. Ich muss sie ausspielen.“ Dies tat er in der vergangenen Saison nicht in dem Maße, dass er so richtig zufrieden sein könnte. Sechs Tore in 32 Spielen, „das ist nicht optimal“, weiß Derdiyok. In der ersten Spielzeit waren es doppelt so viele, doch seitdem hat sich einiges geändert. Das System wurde umgestellt, statt 4-4-2 ließ Jupp Heynckes im 4-2-3-1 antreten, aus dem Partner Stefan Kießling wurde der Konkurrent. Und er wird es auch in der neuen Saison bleiben. Denn auch Robin Dutt bevorzugt das System mit einer einzigen Spitze. Derdiyok stellt sich auf den internen Zweikampf mit Kumpel Kießling („Wir verstehen uns gut!“) ein: „Das ist ein Kampf, der dem Team weiterhelfen wird. Jeder von uns will spielen und wird dafür alles geben.“
Spielen will er so oft es geht. Rotation hin, Rotation her: „Wenn du dich gut fühlst, dann willst du nicht auf die Bank. Oder zumindest nicht oft.“ Eren Derdiyok will sich zeigen. Dem neuen Trainer in erster Linie. Aber auch sich muss er unbedingt noch etwas beweisen: „Es reicht nicht, dass man das Gefühl hat, in der Bundesliga mithalten zu können. Da muss schon ein bisschen mehr kommen.“ Kraft, Technik, Schnelligkeit, Wucht, Eleganz – Eren Derdiyok besitzt von allem im Überfluss. Jetzt muss er es nur noch zeigen.
FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 11.07.11