INTERVIEW DER WOCHE
WOLFGANG HOLZHÄUSER (61, Geschäftsführer Bayer Leverkusen) reagiert im kicker auf die Bayern-Attacken wegen Arturo Vidal.
kicker: Können Sie den Ärger der Bayern-Verantwortlichen über Arturo Vidal nachvollziehen, Herr Holzhäuser?
Wolfgang Holzhäuser: Nein! Denn zum einen hat Jupp Heynckes immer den Eindruck erweckt, als werde er nie einen Spieler „mitnehmen“. Zumal dann nicht, wenn dieser ein so starker Führungsspieler ist. Zum anderen kennen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge das Geschäft. Da bekommt man schon mal nicht den Spieler, den man so gerne gehabt hätte. Außerdem hatte Arturo Vidal immer noch einen Vertrag mit uns. Er war also nicht frei. Übrigens: Als wir unsere Bayern-Leihgabe Toni Kroos vor zwei Jahren bei uns zum Top-Spieler gemacht hatten und ihn gerne länger behalten hätten, da haben die Bayern auch Nein gesagt, obwohl Toni bei ihnen nicht zum Stammspieler wurde. Das hat bei uns keinen Ärger verbreitet – bestenfalls Enttäuschung.
kicker: Fehlt dem Spieler Charakter?
Holzhäuser: Dass ist mir zu hoch gegriffen. Nur weil ein Spieler eine vermeintliche Wechselzusage nicht einhält, gleich von fehlendem Charakter zu sprechen, halte ich für absolut übertrieben. Außerdem wären wir dann ja für seine „Charakterlosigkeit“ mitverantwortlich. Wir haben ihm schließlich verwehrt, innerhalb der Bundesliga vorzeitig wechseln zu können. Und: Arturo Vidal hat sich bei uns immer als tadelloser Spieler gezeigt und nie etwas angestellt, um zum Beispiel einen Wechsel zu provozieren.
kicker: Warum haben Sie ihn nicht nach München verkauft?
Holzhäuser: Weil wir die Konkurrenz nicht stärken wollen. Unser Ziel ist es, ganz oben – und ich meine ganz oben – mitzuspielen. Deshalb haben wir mit Zustimmung all unserer Entscheidungs-Gremien festgelegt, dass Vidal nur ins Ausland wechseln darf. Jetzt wechselt er genau für den Betrag, den wir als Schmerzgrenze bezeichnet haben. Aber eben ins Ausland. Da hat Rudi Völler übrigens einen hervorragenden Job gemacht.
kicker: Glauben Sie, dass nur Heynckes den Spieler wollte, Rummenigge vielleicht sogar froh war über die Entwicklung?
Holzhäuser: Diese Frage müssen Sie Karl-Heinz Rummenigge stellen.
kicker: Sind Sie enttäuscht von Heynckes?
Holzhäuser: Sagen wir so: Es gibt viele, die daran geglaubt haben, dass Jupp Heynckes keinen Spieler weglocken würde. Er hat ja auch lange den Eindruck erweckt, als werde er bei uns bleiben und dann in Rente gehen. Beides stimmte nicht. Ich persönlich will das nicht bewerten und auch nicht kommentieren.
kicker: Ist das die neue Bayer-Maxime, Spieler nicht an die Konkurrenz zu verkaufen?
Holzhäuser: Wie gesagt: Unsere Ziele sind hoch gesteckt. Und da werden wir natürlich versuchen zu verhindern, dass wir unsere Konkurrenten aus unseren eigenen Reihen stark machen. Wir haben darüber hinaus ohne den Zukauf vermeintlich großer Stars seit dem Beginn der Konsolidierung vor sieben Jahren unser Hauptziel Champions League und dabei die Vizemeisterschaft erreicht. Mehr ist uns davor mit dem Einsatz viel größerer Mittel auch nicht gelungen. Wir hatten also keine Not, Arturo Vidal unbedingt zu verkaufen.
kicker: Glauben Sie, der FC Bayern versteht dies als Kampfansage?
Holzhäuser: Jede neue Saison ist eine sportliche Kampfansage an alle Konkurrenten – auch an den FC Bayern. Aber ich bin davon überzeugt, dass unser bisher gutes Verhältnis von Fußball-Unternehmen zu Fußball-Unternehmen nicht getrübt ist.
kicker: Ihr Kader ist nach dem Verkauf des besten Feldspielers der vergangenen Saison und mit insgesamt 22 Profis nicht zu dünn gestrickt?
Holzhäuser: Wir haben jede Position zweimal gleichwertig besetzt – zumindest fast gleichwertig. Bis jetzt hat unser neuer Trainer Robin Dutt nicht „aufgeschrien“, zumal wir gerade im Mittelfeld sehr gut aufgestellt sind. Und sollte sich herausstellen, dass Nachbesserungsbedarf besteht, werden wir schnell reagieren.
kicker: Themenwechsel! Ihr Kollege Karl-Heinz Rummenigge griff auch DFB-Präsident Theo Zwanziger massiv an, nahm dessen Rolle im FIFA-Exekutivkomitee aufs Korn. Wie sehen Sie diesen Fall?
Holzhäuser: Grundsätzlich halte ich es für problematisch, sich eine Meinung auf Basis von Sekundärinformationen zu bilden. Ob Rummenigge Primärinformationen besitzt, kann ich nicht beurteilen. Man sollte dem DFB-Präsidenten nun die Chance geben, in seiner ersten Amtszeit in diesem Gremium Änderungen anzustoßen und nicht vorher schon alles zerreden.
INTERVIEW: FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 28.07.11