BRENNPUNKT LEVERKUSEN: Auch Michael Ballack ohne Rezept
Der Gang in die Öffentlichkeit blieb ihnen immerhin erspart. Trockenübungen im Bauch der Bay-Arena waren angesetzt von Trainer Robin Dutt (46) am Sonntag nach der Schmach von Dresden, die Verlierer der Woche mussten den Fans keine Rechenschaft ablegen. Gut so! Denn sie hätten sich schwergetan, etwas zu erklären, was nicht zu erklären ist. Dummheit? Fehlende Einstellung? Fehlende Klasse gar?
Widmen wir uns zunächst den ersten 60 dieser denkwürdigen 120 Minuten. Da gab Bayer „Barcelona light“, rund 75 Prozent Ballbesitz, 3:0-Führung, aggressives Spiel gegen den Gegner, die Dresdner wurden – waren sie denn mal am Ball – gehetzt und gejagt, dass es eine Freude war. Die zweite Stunde dann wird Bayer noch lange beschäftigen. Viele Fragen tun sich auf, zu viele. Michael Ballack für den starken Simon Rolfes zu bringen – war das richtig? Einerseits leicht zu beantworten. Beim Stande von 3:0 und dieser Überlegenheit hätte Robin Dutt auch Stan Laurel und Oliver Hardy einwechseln können. Normalerweise hätte nie etwas passieren dürfen. Doch es passierte. Nicht Ballacks Schuld allein. Aber er hatte kein Rezept dagegen. Der Mann, der immer fordert, konnte nichts mehr geben. Selten vermittelte er so stark wie gestern, dass seine Zeit vorbei ist. Zweikampfschwach, ohne Antizipation in der Defensive, schwerfällig – all das war Ballack. Ein Leader war er nicht. Dieses Problem muss Dutt lösen, schnellstens.
Lösen muss er auch die Torhüterfrage. Traut man Eigengewächs Fabian Giefer nicht zu, René Adler (fällt wohl bis September aus) zu vertreten, dann kann dies seit Samstag bei David Yelldell nicht anders sein. Zwar patzte er „nur“ bei einem Tor, doch Ausstrahlung und Körpersprache ließen zu wünschen übrig. Seit gestern ist Bayer auf Torwartsuche. Beim nächsten Problem hilft kein Geld: die Mentalität. Dutts Schützlinge wirkten geistig überfordert, handlungslahm und waren am Ende nicht mehr in der Lage, ihr Potenzial abzurufen. Die schier unvorstellbare Kontersituation vor dem 3:4 war die direkte Folge. Viele, zu viele Fragen warten auf Dutt. Und die Fans auf Antworten.
FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 01.08.11