Baustelle Bayer 04

  • Der Start ist verpatzt. ROBIN DUTT (46) muss die Werkself jetzt wieder einnorden. Dies geschah auch mit Kapitän Simon Rolfes.


    Nur aus einem Blickwinkel kann man Bayers 0:2-Auftaktniederlage etwas Positives abgewinnen. Also: Wer verlor vergangene Saison zum Start 0:2 – ausgerechnet gegen die Werkself? Richtig, der spätere Meister aus Dortmund.


    Doch nach den Pleiten in Mainz und im Pokal verbieten sich solche Vergleiche. Sportdirektor Rudi Völler (51): „Wir haben gehofft, dass Dresden eine Eintagsfliege war, sind aber leider eines Besseren belehrt worden.“ Nicht umsonst sprach Trainer Robin Dutt (46) von „vielen Feldern, die wir aufarbeiten müssen“.


    Baustelle Torhüter: Neuzugang David Yelldell (29) patzte in Dresden, Fabian Giefer (21), der wegen einer Gehirnerschütterung ausfällt, in Mainz. Am Mittwoch lieh Bayer 04 Bernd Leno (19) vom VfB Stuttgart bis Jahresende ohne Kaufoption aus. Das Ausnahmetalent soll als Kurzzeithilfe den bis in den Oktober ausfallenden Nationaltorhüter René Adler (26) ersetzen. Das muss ihm aus dem Stand gelingen – sonst hat Dutt womöglich die Wahl unter drei psychisch angeknacksten Torhütern. Denn Yelldell und Giefer wurden mit der Leihe als nicht gut genug deklariert. Leno hat „einen gewissen Vertrauensvorschuss“, so Dutt, der klarstellt: „Wir sind Champions-League-Teilnehmer, bei dem der Trainer nach Platz zwei nach oben denkt. Die Luft ist hier für alle dünner. Wenn ein Torwart wie René ausfällt, holst du den Bestmöglichen und nicht einen, um die anderen zu schützen.“ Der 19-Jährige (57 Drittliga-Spiele) als Ideallösung? Abwarten.


    Baustelle Innenverteidigung: Intern gilt die Besetzung als gut genug. Doch mit Sami Hyypiä (37) verlor die Abwehr ihre Führungskraft, an der sich Talente wie Stefan Reinartz (22) anlehnen konnten. Kapitän Simon Rolfes wies schon vor Wochen auf den Qualitätsverlust hin. Ob Reinartz oder Eigentorschütze Ömer Toprak (22) sofort Champions-League-Niveau erreichen, ist bei allem Talent zumindest äußerst fraglich. Ein neuer Top-Mann ist laut Dutt, der die Innenverteidiger in Mainz „bis auf das Eigentor sehr gut“ sah, unrealistisch: „Der Ruf nach Besserem ist aus Fan-Sicht legitim. Doch so ein Spieler ist schlicht nicht zu bekommen, außer du nimmst 10 bis 15 Millionen Euro in die Hand.“ Das ist nicht Bayers Ansatz.


    Baustelle Taktik: Die Mannschaft ist im neuen 4-3-3-System mit einem Sechser beim Umschalten in die Defensive anfällig. „Die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt nicht“, kritisiert Stürmer André Schürrle (20), „dadurch sind wir hinten oft in Unterzahl.“ Das sieht auch Dutt so. Die Statistik ist verräterisch: In Mainz ließ die Werkself neun Chancen zu – dies passierte ihr vergangene Saison nur zweimal. Der Schnitt damals: 4,44 pro Partie.


    Baustelle Kapitän: In Mainz bemängelte Simon Rolfes (29) die Einstellung, forderte „mehr Aggressivität und Laufbereitschaft“, verwies bezüglich seiner Auswechslung auf den Trainer. Dies stieß Dutt auf: „Ich habe über die Aussagen mit Simon klar gesprochen. Es haben sich 99 Prozent der Spieler mehr als korrekt verhalten. Wenn es eine Ausnahme gibt, spricht man das an. Damit ist es aber auch erledigt. Da trage ich Simon nichts nach.“ Klar ist aber: Nickeligkeit und Siegeswillen, mit denen der verkaufte Arturo Vidal Zeichen setzte, müssen nun andere vorleben. Völler fordert die Akteure: „Wir haben den letzten Willen vermissen lassen. Es muss auch mal der innere Schweinehund überwunden werden.“


    Baustelle unzufriedene Stars: Torjäger Stefan Kießling (27) durfte in Mainz nur wenige Minuten ran. Als Dutt auf zwei zentrale Offensivkräfte (Derdiyok/Schürrle) umstellte, erhielt gar der unerfahrene Nicolai Jörgensen (20) den Vorzug. Kießling, der durch seinen Einsatz mitreißen kann, musste bis zur Endphase warten. Michael Ballack (34) tat dies vergebens. Der Topstar war überhaupt keine Option. Ein Tiefschlag. Dutt-Vorgänger Jupp Heynckes gelang es, fast alle Stars bei Laune zu halten. Dutt erklärt nur: „Wir haben 18 absolute Topspieler. Damit muss jeder klarkommen.“ Konfliktpotenzial.


    Jetzt helfen nur Siege. „Wir müssen schnell die Kurve kriegen“, so Völler. Sonst war’s das mit dem BVBVergleich.
    STEPHAN VON NOCKS





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 11.08.11