Leno: „Wer Angst hat, hat schon verloren“

  • Bayer Leverkusen hat BERND LENO (19) vom VfB Stuttgart ausgeliehen. Der junge Torwart hat schon in den ersten drei Spielen überzeugt.


    kicker: Der Berliner Tagesspiegel bezeichnete Sie nach dem 0:0 gegen Borussia Dortmund als Bayers „Glücksbringer“. Trifft es das?


    Bernd Leno: Eigentlich nicht. Wir haben jetzt dreimal zu null gespielt, das hat mit Glück wenig zu tun. Unsere Mannschaft hat gezeigt, was sie kann, und ich habe meinen Teil dazu beigetragen.


    kicker: Und ganz nebenbei einen Uralt-Startrekord eingestellt. Seit 20 Jahren schaffte es kein Keeper mehr, seine ersten drei Bundesligaspiele ohne Gegentor zu absolvieren. Stolz?


    Leno: Ich wusste das vorher nicht, habe es dann nach dem Spiel gelesen. Macht mich das stolz? Nein, ich kann mir ja nichts dafür kaufen.


    kicker: Zu Beginn Ihres Engagements hatten Sie Interviewverbot. Ihren ersten öffentlichen Auftritt im Rahmen einer Pressekonferenz quittierten die Journalisten sogar mit Beifall. Was haben Sie sich gedacht?


    Leno: Dass es nicht so schlecht gewesen sein konnte, was ich da erzählt habe.


    kicker: Es gibt nicht viel Archivmaterial über Sie zu finden. Aber immer werden Sie als ruhiger Typ beschrieben. Passt das?


    Leno: Auf jeden Fall, ich bin sogar ein sehr ruhiger Typ. Das ist es auch, was ich auf den Platz bringen will. Ich glaube nicht, dass es der Mannschaft hilft, wenn hinten einer rumzappelt. Ich denke, das klappt ganz gut.


    kicker: Matthias Sammer hat Sie mit Jens Lehmann verglichen und Marc-André ter Stegen mit Oliver Kahn. Wie meint er das?


    Leno: Vielleicht meinte er, dass meine Spielweise eher der Lehmanns gleicht. Deckungsgleich ist es sicherlich nicht, ich spiele schon ein wenig anders. Aber mit Oliver Kahn bin ich auf keinen Fall vergleichbar.


    kicker: In Ihrem Jahrgang duellieren Sie sich seit Jahren mit ter Stegen. Wird es ein Duell über einen langen Zeitraum?


    Leno: Das kann tatsächlich sein. Es wäre schön, wenn wir uns in den kommenden Jahren häufiger begegnen würden.


    kicker: Sie mussten wegen einer Knieverletzung die Spiele der U 20 in dieser Woche absagen. Wären Sie lieber gefahren?


    Leno: Ich wäre gerne gefahren, auch wenn ich mir dort ein paar Sprüche der Jungs hätte anhören müssen. Andererseits waren die vergangenen Wochen ziemlich anstrengend, auch im Kopf. Von daher bin ich wegen der Pause nicht böse.


    kicker: Was ist so anstrengend?


    Leno: Du stehst viel stärker im Fokus. Das ist eben nicht die Zweite vom VfB Stuttgart, das ist nicht 3. Liga, das ist 1. Bundesliga.


    kicker: Beim Schuss des Dortmunders Ivan Perisic konnten Sie nur noch dastehen und den Arm hochreißen. Kann man solche Reflexe trainieren?


    Leno: Man kann das trainieren. Aber in dieser Situation, wo es ja blitzschnell ging, wusste ich gar nicht, wo der Ball war. Da war sicher auch Glück dabei. Aber das gehört dazu.


    kicker: Torhüter wurden Sie eher zufällig . . .


    Leno: Korrekt. Es war die klassische Geschichte. Wir hatten ein Hallenturnier, der Torwart kam nicht und ich ging zwischen die Pfosten. Da bin ich richtig abgegangen und im Tor geblieben.

    kicker:
    Wer hat Sie entdeckt?


    Leno: Keiner. Wenn überhaupt, mein Vater. Er hat mir immer vertraut und mich immer total unterstützt. Wie ich überhaupt meiner Familiesehr viel zu verdanken habe. Das ist Wahnsinn, was sie für mich getan haben. 2003 sind sie mit mir zum „Jugendtag“ des VfB Stuttgart gefahren. Da kann vorspielen, wer will. Nach drei Einheiten hat mich der VfB genommen. Ab da hatte ich mindestens dreimal in der Woche Training und am Wochenende Spiele und musste immer die 25 Kilometer von Bietigheim nach Stuttgart gefahren werden. Das war nicht einfach. Meine Eltern besuchen bis heute jedes Spiel von mir, werden wohl auch gegen Chelsea dabei sein. Denen ist kein Weg zu weit.


    kicker: Wer ist Ihr Vorbild?


    Leno: Iker Casillas. Ich finde es beeindruckend, wie er in großen Spielen in entscheidenden Momenten da ist. Das ist sensationell.


    kicker: Die großen Spiele finden in der Champions League statt – bald mit Bernd Leno. Wie bereitet man sich auf Gegner wie zum Beispiel den FC Chelsea vor?


    Leno: Dass diese Spiele etwas Besonderes sind, darüber brauchen wir nicht zu reden. Bei Chelsea spielt man nun wirklich nicht jeden Tag. Aber man darf sich auch nicht verrückt machen. Das wäre falsch. Die Trainer werden uns mit DVDs vorbereiten, und dann liegt es an uns.


    kicker: Gar keine Bedenken gegen Drogba und Co.?


    Leno: Wer Angst hat, hat schon verloren.
    INTERVIEW: FRANK LUßEM





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 05.09.11