Ein bitterer Nachmittag für Dutt – und jetzt wartet Heynckes

  • LEVERKUSEN: Rudi Völler schimpft über „Blutleere“ und „fehlende Aggressivität“ – Knallharte Analyse ist angesagt


    Sie schauten sich an wie Kinder, denen man das Spielzeug weggenommen hat. Erschrocken, erstaunt, verblüfft – es gab auch nach der Partie keinen Leverkusener, der eine wie auch immer geartete Erklärung fand für das, was da auf dem Rasen passiert war.


    Rudi Völler (51) attestierte seinen Profis „Blutleere und fehlende Aggressivität“, bemängelte mangelndens Aufbäumen und resümierte: „Man kann ein Derby verlieren. Aber nicht so. Das war enttäuschend, enttäuschender als gegen Dresden oder Mainz!“


    Warum? Dies herauszufinden, wird die vorrangigste Aufgabe in der kommenden Woche sein. Da helfen keine vordergründig selbstkritischen Worte, da hilft nur eine knallharte Analyse der gesamten bisherigen Saison.


    System und Taktik, Konzept und Matchplan – all das verkommt zum Selbstzweck in Leverkusen, wo man sich in diesen Tagen und Wochen die Realität gern rosarot malt und die Basics offensichtlich vergisst. Lockerheit, gute Stimmung, Inspiration, all das, was wichtig ist für eine homogene Mannschaft, ist ein wenig untergegangen in Diskussionen ob mit oder ohne Ballack, ob der eine zusammen mit dem anderen kann oder dieser nicht ohne jenen. Mittendrin Robin Dutt (46), der heute dies sagt und morgen was anderes, der schon ganze dicke Arme haben muss vom häufigen Zurückrudern, weil das, was er gestern sagte, heute keinen Bestand mehr hat. Und der sich am Samstag mit der Aufstellung mächtig verzockte und schließlich hilflos mit ansehen musste, wie seine Schützlinge ihn („Ich bin ein Derby-Trainer!“) im Stich ließen.


    Ein ganz bitterer Nachmittag für den ambitionierten Übungsleiter, der seinem Team eine „indiskutable Leistung“ attestierte und ankündigte: „Dazu werden wir noch deutliche Worte finden.“ Angesprochen auf die Leistung Renato Augustos fiel dem sonst so eloquenten Trainer für die Öffentlichkeit allerdings selbst nichts ein: „Dazu sage ich besser nichts.“


    Der Brasilianer, vor Wochen noch Hoffnungsträger Nummer eins im zentralen Mittelfeld, ist ein Beleg dafür, dass es wie auch immer geartete Probleme gibt in Leverkusen. 97 Ballkontakte wurden für ihn am Samstag gezählt, geschätzte 80 davon führten zu nichts: Ballverluste, Fehlpässe, Schüsse ins Nirwana, Stockfehler. Eine rätselhafte Vorstellung dieses hoch veranlagten Fußballers, dessen Selbstvertrauen im Keller ist.


    Eine Aussprache zwischen Mannschaft und Trainer gab es laut Stefan Kießling bereits. Ob weitere folgen, ob sie helfen oder nötig sind, können nur die Beteiligten beurteilen. Die Beobachter sehen lediglich, dass eine Menge nicht stimmt im Team, wer sich aufmerksam umhört, bekommt dies auch hier und da bestätigt. Fakt ist: Bayer hinkt den Ansprüchen hinterher. Wer antritt, sich verbessern zu wollen von Platz zwei, der darf Spiele wie am Samstag nicht abliefern. lässt der nächste Gegner alle Möglichkeitenzur Rehabilitierung: Der FC Bayern wartet mit Jupp Heynckes auf die Derby-Verlierer.
    Frank Lußem





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 19.09.11