LEVERKUSEN: Der Vizemeister präsentiert sich ohne Konzept, ohne Führung, dafür mit jeder Menge Problemen
Es sind 38 Minuten gespielt in der Allianz-Arena, Ecke für die Bayern. Kroos spielt kurz auf Lahm, der kurvt Richtung Strafraum, spielt dann mit rechts zurück zu Kroos, der völlig blank steht. Sein Pass in den Sechzehner wird zur Ecke abgewehrt. Kroos spielt kurz auf Lahm, der kurvt Richtung Strafraum, spielt mit rechts zurück auf Kroos, der erneut völlig blank steht. Zwei identische Szenen, die zeigen: Bayer Leverkusen geht am Stock! Keine Frische, kein Konzept, keine Mittel – der Vizemeister präsentiert sich im Herbst 2011 als total verunsicherter Haufen, führungslos geht es Richtung Bedeutungslosigkeit, nichts wurde besser, aber zu vieles schlechter.
Und Robin Dutt (46)? Der steht dazwischen, reichlich ratlos und sich windend. Bekam die Mannschaft nach der Derby-Pleite gegen Köln (1:4) noch Lack ab, durfte sie sich nach dem Auftritt in München über unverhofftes Lob freuen: „Ich ziehe den Hut vor der Mannschaft“, so Dutt, „dass sie sich nicht hat abschlachten lassen.“
Aha! Das, was die Truppe, zugegeben dezimiert, da abgeliefert hatte, nötigte dem Trainer also Respekt ab. Dieses Urteil hatte er exklusiv. Möglicherweise war es ein Versuch, die Teile der Mannschaft wieder zurück ins Boot zu holen, die seinem Führungsstil mittlerweile skeptisch und reserviert gegenüberstehen.
Doch unabhängig davon tun sich Fragen auf. Warum schickte Dutt den blutjungen Danny da Costa, seit zwei Monaten 18 Jahre alt, ins aussichtslose Rennen mit Franck Ribery? Von dessen momentaner Hochform hatte sich der Trainer in der vergangenen Woche ein Bild machen können auf Schalke. Warum spielte nicht Castro (der wiederholt bewies, dass er den Franzosen effizient bekämpfen kann) hinten rechts, warum nicht Balitsch links? Einer ohnehin verunsicherten Mannschaft ein solches Risiko aufzubürden, zeugt von mangelnder Erfahrung.
Dutt muss schleunigst lernen! Lernen, was in Leverkusen von ihm verlangt wird. Im Umgang mit der Mannschaft, dem Funktionsteam, dem Umfeld – und dem Gegner. Bayer unterlag den Münchnern schon häufig. Dabei spielte die jeweilige Mannschaft mal gut, mal schlecht, mal kämpfte sie grandios, mal wurde sie vom Schiedsrichter benachteiligt. Seit Samstag ist eine neue Qualität in diese Duelle gekommen: Angst. Angst vor der Klatsche. Angst davor, so unterzugehen wie Freiburg: Dutts Ex-Team kassierte sieben Tore in München.
Es muss sich schnellstens etwas tun bei Bayer Leverkusen. Die Richtung, in die man aktuell taumelt, ist nicht gesund. Wenn man der Überzeugung ist, dass Gespräche helfen, dann sollte man sich so schnell wie möglich an einen Tisch setzen. Es so laufen zu lassen, wäre fahrlässig.
Frank Lußem
Quelle: kicker-Printausgabe vom 26.09.11