Er wurde in Deutschland als Sohn spanischer Eltern geboren. Mit Leverkusen trifft GONZALO CASTRO (24) jetzt auf den FC Valencia.
kicker: Herr Castro, welche Erinnerungen wecken Osasuna Pamplona und der FC Villarreal bei Ihnen?
Gonzalo Castro: Gegen beide sind wir in den vergangenen Jahren in der Europa League ausgeschieden.
kicker: Jetzt kommt Valencia. Erneut eine zu hohe spanische Hürde?
Castro: Moment! Vergessen wir nicht, dass wir im Vorjahr Atletico Madrid ausgeschaltet haben. Aber es stimmt, Valencia ist aus diesem Quartett das stärkste Team und unser Konkurrent um den zweiten Platz in der Gruppe.
kicker: Zu stark für Bayer?
Castro: Sicher nicht.
kicker: Was wissen Sie vom spanischen Fußball?
Castro: Viel, fast alles. Ich verfolge die Primera Division intensiv. Und ich werde von meinen Verwandten auf dem Laufenden gehalten. Valencia mischt gut mit, aber auch Malaga. Ich glaube, die werden mit dem Geld, das der arabische Investor zuschießt, die Sache in dieser Saison spannender machen. Levante hält gut mit, wird sich aber ebenso wie Betis Sevilla nicht ganz oben halten. Trotzdem glaube ich nicht an den Zweikampf Barca gegen Real. Ich traue Malaga zu, vorne dranzubleiben.
kicker: Sie haben, als Sohn spanischer Eltern, vor Jahren mal einen U-16-Lehrgang für den spanischen Verband absolviert. Kennen Sie noch jemanden aus dieser Zeit?
Castro: Schalkes Jurado war damals dabei, Raul Garcia von Osasuna und Malagas Nacho Monreal. Wenn wir uns bei Spielen gesehen haben, dann wurde immer ein bisschen geflachst. Der Kontakt reißt nicht ab.
kicker: Waren Sie stolzer Spanier als „La Furia Roja“ Europa- und Weltmeister wurde? Oder fühlten Sie mit Deutschland, das 2008 und 2010 jeweils unterlag?
Castro: Natürlich, ich bin Deutscher. Was mich wiederum gefreut hat, war, dass meine fußballverrückten Verwandten sich endlich über einen Titel freuen konnten.
kicker: Also keine Wehmut, weil Sie sich vor Jahren entschieden, deutscher Nationalspieler zu werden?
Castro: Auf keinen Fall. Wenn ich nur daran denke, wie wir U-21-Europameister wurden! Das war ein sensationelles Erlebnis.
kicker: Mittlerweile stagniert Ihre Nationalspieler-Karriere, in der Liga gehören Sie zum Inventar. Sind Sie auf dem Weg zum „ewigen Talent“?
Castro: Wenn man mit 17 in die Bundesliga kommt, mit knapp 20 Nationalspieler wird, mit 24 fast 200 Bundesligaspiele absolviert hat, aber keine Länderspiele mehr - dann kann es sein, dass die Wahrnehmung in diese Richtung geht. Aber das stört mich nicht.
kicker: Wie sehen Sie es selbst?
Castro: Es gab richtig schöne Zeiten. Als junger Kerl Nationalspieler zu werden, das ist klasse. Die U 21 war sensationell. Aber es gab auch Durchhänger, das ist ganz klar.
kicker: Mit Ihren 24 Lenzen reden Sie schon wie ein Routinier. Werden Sie alt in Leverkusen?
Castro: Älter sicherlich, aber alt – das glaube ich nicht. Irgendwann muss ich was Neues ausprobieren, neue Reize setzen.
kicker: Im Ausland?
Castro: Klar. Wenn ich in der Bundesliga wechseln würde, dann höchstens zu einem Klub, der besser wäre als Bayer. Und da sehe ich nur die Bayern. Ob die wollen? (lacht) Ich weiß nicht. Ich denke, ich will was ganz anderes kennenlernen.
kicker: Ihr Kumpel Arturo Vidal kickt in Turin. Lockt er Sie nicht zu Juve?
Castro: Wir telefonieren jede Woche miteinander, schreiben uns Mails. Er fehlt mir. Er ist ein toller Freund und ein sensationeller Fußballer. Ganz ehrlich: Italien ist nicht mein Traumland. Eher Spanien oder England. Aber das ist Zukunftsmusik, mein Vertrag läuft bis 2014 und mir macht es Spaß bei Bayer.
kicker: Obwohl Sie nicht auf Ihrer Lieblingsposition spielen dürfen?
Castro: Dass ich gerne auf der Sechs spielen würde, weiß hier jeder. Aber es ist eben kein Wunschkonzert. Früher fand ich meine Vielseitigkeit klasse. Sie hat mir geholfen, sehr früh Fuß zu fassen. Aber heute ist es nicht mehr so schön. Ich werde nur als Außenverteidiger, egal ob links oder rechts, wahrgenommen.
kicker: Und als Phlegmatiker, der zu wenig aus seinen Möglichkeiten macht.
Castro: Diese Kritik kenne ich auch. Aber wer hinten spielt, muss vor allen Dingen dafür sorgen, dass die Ordnung stimmt. Ich muss die Position halten und kann nicht querbeet über den Rasen laufen.
kicker: Sie gelten als unauffälliger Typ und sorgten zuletzt für Schlagzeilen, als Sie Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser für dessen Alibi-Fußballer-Kritik an Renato Augusto angingen. Hat Sie das Echo auf diese Aktion erschrocken?
Castro: Ein bisschen schon. Mir ging es darum, Renato Augusto in Schutz zu nehmen, nicht darum, jemanden zu kritisieren. Ich habe mittlerweile mit Herrn Holzhäuser darüber gesprochen, die Sache ist geklärt.
kicker: Zurück zum Anfang: Wird erneut eine spanische Mannschaft Bayers Stolperstein in Europa?
Castro: Damals waren es K.-o.-Spiele, die hatten einen anderen Charakter. Jetzt sind es Punktspiele. Wir spielen erst zu Hause, drei Punkte sind Pflicht, dann ein Remis in Valencia, das wäre perfekt!
FRANK LUßEM
Quelle: kicker-Printausgabe vom 17.10.11