„Das war viel zu wenig“

  • AUS LEVERKUSENS TRAININGSLAGER IN LAGOS BERICHTET S. VON NOCKS


    Er war der teuerste Sommereinkauf der Werkself. Im kicker zieht André Schürrle (21) eine Bilanz.


    kicker: Herr Schürrle, wie beurteilen Sie ihr erstes Halbjahr bei Bayer 04?


    Schürrle: Es ist nicht so gelaufen, wie wir uns es vorgestellt haben. Ganz klar. Wir haben eindeutig zu wenig Punkte für unsere Qualität in der Mannschaft. Wir sind alle selbstkritisch genug, auch ich, dass da noch sehr viel Luft nach oben ist. Wir wissen, dass wir sehr, sehr weit unter unserem Anspruch gespielt haben. Das war viel zu wenig.


    kicker: Am Freitag haben Sie mit Manuel Friedrich und Gonzalo Castro am Ende des Trainings die „Bruchweg Boys“ aufleben lassen, Ihren Torjubel aus Mainzer Zeiten imitiert. Warum rocken Sie in Leverkusen noch nicht?


    Schürrle: Das ist nicht so einfach zu beschreiben. Es war mein erster Wechsel im Profibereich. Es sind viele Dinge auf mich eingeprasselt, aber so schlecht war das alles nicht. Ich hatte meine Chancen, aus denen ich einfach zu wenig gemacht habe. Hätte ich fünf, sechs Tore mehr, würde alles anders aussehen.


    kicker: Leiden Sie darunter, dass die Spielanlage nicht so stabil ist, oft lange Bälle gespielt werden?


    Schürrle: Na klar leidet man irgendwie darunter, weil man gerade als sehr offensiver Außen auf die Pässe in die Tiefe angewiesen ist, dass der Ball gut nach vorn getragen wird. Man leidet natürlich darunter, dass es insgesamt in der Mannschaft nicht so gut gelaufen ist. Am Ende der Hinrunde war bei uns auch etwas der Akku leer. Da haben viele Faktoren zusammengewirkt. Wir wissen genau, dass das nicht das Gelbe vom Ei war.


    kicker: Leverkusen gilt als ruhig. Wie sehr hat Sie die Unruhe überrascht?


    Schürrle: Ich hatte auch immer nur mitbekommen, dass es hier sehr ruhig ist. Aber das war jetzt das krasse Gegenteil. Es wurde nur noch negativ berichtet. Das muss man ausblenden und auch abkönnen.


    kicker: Wie nehmen Sie die Drucksituation für Robin Dutt wahr?


    Schürrle: Man bekommt sie mit, aber der Verein gibt dem Trainer volle Rückendeckung. Das finde ich auch gut. Also ist es für uns Spieler kein großes Thema.


    kicker: Was ist nach Platz sechs in der Rückrunde noch möglich?


    Schürrle: Ich will davon abkommen, davon zu reden: Wo wollen wir hin? Wir müssen einfach unsere Qualität auf den Platz bringen, dann werden die Punkte auch kommen. Der Geschäftsführer hat gesagt, dass die Champions League das Ziel sein muss. Und das ist auch unser Ziel.


    kicker: Fehlen dafür nach dem Ausfall von Sam auf den Außen die Alternativen?


    Schürrle: Natürlich herrscht ein Engpass auf den Außen. Karim Bellarabi ist noch da, der hier im Trainingslager einen guten Eindruck macht. Mit Sidney ist es bitter. Wir müssen das als Team irgendwie auffangen.


    kicker: Hanno Balitsch, der viele Positionen spielen kann, wurde von Dutt ausgemustert. Haben Sie ihn als negativen Faktor gesehen?


    Schürrle: Nein, auf keinen Fall. Hanno ist ein Typ, der klar seine Meinung sagt – auch zu kritischen Themen. Aber er war sicherlich kein Störfaktor in der Mannschaft.


    kicker: Zur Nationalmannschaft: Vor der Saison sagten viele, Sie werden Lukas Podolski überholen. Wie beurteilen Sie das Duell?


    Schürrle: Da wurde schon sehr viel geschrieben von Kampfansagen hin oder her. Alle Offensivspieler sind sehr flexibel, ich kann auch rechts oder in der Mitte spielen, die anderen auch. Man muss nicht immer über Schürrle gegen Podolski sprechen. Natürlich ist links meine favorisierte Seite. Da sieht der Bundestrainer auch Poldi. Man muss einfach schauen, wie das ausgeht.


    kicker: Und Ihr gemeinsames Ziel ist klar: Sie fahren nicht zur EURO, um Zweiter zu werden.


    Schürrle: Natürlich nicht.





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 09.01.12