Direkt nach einem Spiel treffen sich alle in der „Kleiderkammer“, wie Peter Bosz (55) manchmal sagt.
Es ist ein Ritual des Trainers!
In der Kabine gibt es das erste Gespräch über die gerade beendete Partie – „egal ob wir gewonnen oder verloren haben“, sagt der Coach.
Wie hoch es hergehen kann, zeigte sich nach dem 0:4 in Dortmund: Sven Bender (30) und Bruder Lars hatten einen lautstarken Disput bis in die Kabine. „Man muss sich auch mal die Meinung sagen können. Wir sind etwas emotionaler, weil wir nicht gut verlieren können“, meinte Sven Bender über diesen Wutausbruch.
Typisch für die Benders: Im Sinne der Sache und für den Erfolg zoffen sie sich auch mal untereinander.
Die Bender-Zwillinge sind die Anführer bei Bayer. Sie gehen auf dem Platz und intern voran, sind wichtige Begleiter der jungen Spieler. Lars hat sich zum Beispiel von Anfang an sehr um Kai Havertz (20) gekümmert. Und Lars war es, der 2017 den Anstoß zur Verpflichtung seines Bruders Sven aus Dortmund gab.
Die Benders fahren auch gemeinsam in Urlaub. Unterstützt werden sie bei der Team-Führung von den Vize-Kapitänen Kevin Volland (27) und Julian Baumgartlinger (31) – das Quartett spielte schon bei 1860 München zusammen. Alle vier sind junge Väter, die Familien verstehen sich privat.
Eine ganz wichtige Rolle spielt zudem Torwart Ramazan Özcan (35), genannt „Rambo“. Der älteste Spieler des Kaders, Bus-Nachbar von Baumgartlinger, ist mit seiner Erfahrung ein Regulativ und mit seiner stets positiven Einstellung auch Motivator.
Den letzten richtigen Bayer-Streit gab es Ende April, als Charles Aránguiz (30) auf dem Platz gegen den heutigen Frankfurter Dominik Kohr (25) handgreiflich wurde und die beiden voneinander getrennt werden mussten.
Das aktuelle Bayer-Team ist sehr homogen, keiner grenzt sich ab oder wird ausgegrenzt. Ohne Frage täte dem jungen Team mehr Reibung ganz gut. Jüngstes Beispiel: Beim 2:1 in der Champions League gegen Atlético Madrid kam es zu einer Rudelbildung, die die Spieler gegen die ausgebufften Spanier noch mal zusätzlich motivierte. „Das war vielleicht genau die Reifheit – in einer schwierigen Phase haben wir zwei, drei Minuten herausgeholt. Das war ein gutes Zeichen von uns“, betonte Torwart Lukas Hradecky (29) anschließend.
Fakt ist aber: Es gibt bei Bayer 04 keine Stinkstiefel bzw. Ich-AGs der Marke Chicharito (31) mehr. Wobei der Jamaikaner Leon Bailey (22) als Paradiesvogel aus der Karibik mit seiner Art und extravaganten Klamotten schon mal für Schmunzeln sorgt – hin und wieder auch für Kopfschütteln.
Natürlich gibt es verschiedene Cliquen, da fast alle Spieler nicht in Leverkusen leben.
In Düsseldorf wohnen zum Beispiel die Finnen-Freunde Hradecky und Joel Pohjanpalo (25), die gerne zusammen grillen. Baumgartlinger trifft sich privat auch mit Aleksandar Dragovic (28), die beiden sind seit Jahren Kollegen in der österreichischen Nationalelf. Dragovic bildet mit Neuzugang Nadiem Amiri (22) eine Fahrgemeinschaft. Amiri: „Er wohnt genau gegenüber.“
Drüben in Köln gibt’s die Südamerika-Combo: Die Brasilianer Wendell (26) und Paulinho (19) sowie den Chilenen Aránguiz und der Argentinier Lucas Alario (27). Kein Zufall, dass sie im Bus hinten und auch in der Kabine zusammensitzen.
In Köln wohnen u.a. Havertz und Keeper Niklas Lomb (26). Gemeinsam mit ihrem Kumpel Julian Brandt (23/jetzt BVB) verbrachten sie den letzten Urlaub auf Formentera.
Die „Beziehungen“ gehen über die Stadtgrenzen hinaus: Jonathan Tah (23) aus Düsseldorf ist eng mit dem „Krefelder“ Karim Bellarabi (29) befreundet, sie waren u.a. schon gemeinsam im Florida-Urlaub. Bellarabi sitzt im Bus neben dem „Kölner“ Mitchell Weiser (25) – beim Frühstück diskutieren beide oft über Tierschutz.
Ganz „dicke“ sind zudem Volland und Havertz, in der Kabine der BayArena Sitznachbarn. Genau wie die Ex-Hoffenheimer Kerem Demirbay (26) und Amiri. Demirbay hatte Amiri versprochen, den Spind neben sich freizuhalten, für den Fall, dass es mit dem Wechsel zu Bayer klappen sollte.
Da auswärts die Trikots in numerischer Reihenfolge ausgeteilt werden, sitzen Demirbay (Nummer 10) und Amiri (11) auch in fremden Stadien nebeneinander. Ganz außen sitzen Hradecky (1), dessen Heimkabinen-Nachbar Lars Bender ist, und Bellarabi (38).
Trainer Bosz achtet stark auf die „Hygiene“ im Team. Bewusst hat er Spieler aus allen Teilen des Kaders für den Mannschaftsrat bestimmt. Wie Wendell, der sich direkt um Neuzugang Moussa Diaby (20) kümmerte, obwohl er die französische Sprache gar nicht beherrscht – und Diaby auch kein Portugiesisch spricht.
Apropos Bosz: Der Chef setzt auch auf „Car-Sharing“ und kommt täglich mit seinem „Assi“ und Freund Hendrie Krüzen (54) aus Düsseldorf zur BayArena.
Quelle Bild Plus