Der ehemalige Nationalspieler und Verteidiger der Leverkusener über die Perspektiven von Bayer ...
Das war nun wirklich nicht der Abend von Bayer Leverkusen. So darf man gegen Manchester United nicht spielen. Schon gar nicht nach den Erfahrungen vom Hinspiel. Da fehlte von allem zu viel: Leidenschaft, Cleverness, Wille! Jetzt wird es eng mit dem Achtelfinale, mein Ex-Klub hat es nicht mehr selbst in der Hand.
Dennoch: Bayer hat sich, Stand heute, zu einem Spitzenteam entwickelt. Bei all den Lobeshymnen auf die Bayern und Dortmund hat man zwar mitunter das Gefühl, es existiere kein anderer Verein mehr – aber aktuell ist Bayer Liga-Zweiter, und wer die Spiele wie in Berlin gewinnt, der steht nicht ohne Grund da oben. Daran ändert auch eine Leistung wie gestern gegen Manchester United nichts.
Die Homogenität macht Bayer so stark. Denn tatsächlich weist der Kader Schwachstellen auf, die national und vor allen Dingen international den höchsten Ansprüchen nicht genügen. Die Probleme auf der linken defensiven Außenbahn stehen für diese Einschränkung. Es spricht für die Mannschaft, dass diese Defizite meist im Kollektiv kompensiert werden können. Aber eben nicht immer, wie Bayer im Hinspiel in Manchester schmerzlich erfahren musste, als Sebastian Boenisch immer wieder Probleme mit Valencia offenbarte, ihn schließlich vor lauter Unsicherheit nicht mehr früh genug attackierte und damit die gesamte Abwehr in Schwierigkeiten brachte. Can erging es gestern ähnlich. An diese Grenzen wird Bayer wohl immer wieder stoßen, weil man nicht willens ist, ähnlich zu investieren wie die Großklubs. Das war schon zu meiner Zeit so, immer wieder wurden Leistungsträger verkauft, wo die Konkurrenz Stars hinzukaufte. Deshalb wird es nach ganz oben sehr eng. Dennoch sehe ich die Strategie positiv, solange man bereit ist, Erfolg nicht nur über Titel zu definieren. Das war in der Ära von 1996 bis 2002 genauso.
Die Mannschaft von heute kann durchaus die Strahlkraft dieser Truppe erreichen. Auch uns hatte damals keiner auf dem Zettel, wir konnten uns in Ruhe entwickeln. Damals wie heute begegnet Bayer den Leuten positiv. Lars Bender, Sidney Sam, Bernd Leno, Giulio Donati, Heung-Min Son und in allererster Linie Stefan Kießling sind Sympathieträger, sie stehen für ehrlichen und effektiven Fußball – da kann man es verkraften, hinter den ganz Großen die „dritte Kraft“ zu sein. Man kann aber genauso auch mal für eine Überraschung sorgen.
Quelle: kicker-Printausgabe vom 28.11.13