KSTA: Der nächste Betriebsunfall

  • CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 26.11.05, 17:49h, AKTUALISIERT 26.11.05, 18:07h


    Leverkusen entfernt sich weiter von den Zielen, bleibt aber optimistisch.


    Leverkusen - Der Abgang trug Zeichen einer Flucht, Bayer Leverkusens Profis legten beim Weg Richtung Kabinengang ordentlich Tempo vor. Nur Simon Rolfes und Tranquillo Barnetta gingen ein paar Meter in Richtung der Tribünen, um sich von ihren Fans zu verabschieden. Der Rest wollte nur schnell raus aus dem feuchten Schneeregen und weg vom Ort des trüben Geschehens, eines wenig ansehnlichen 0:1 gegen den Hamburger Sportverein, das die Leverkusener zum leistungsgerechten 0:0 umdeuteten. Nur ungerechterweise ohne Punkt.


    „Ein Unentschieden hätte uns gut getan und wäre der Lohn für unser Bemühen gewesen“, sagte Trainer Michael Skibbe. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser fand: „Wir haben gegen einen starken Gegner gut gespielt.“ Dabei war es Leverkusen trotz Feldüberlegenheit nicht gelungen, Hamburgs Müdigkeit 40 Stunden nach dem Uefa-Cup-Spiel in Monaco zu nutzen. Ein Ballverlust von Gonzalo Castro an der Mittellinie war Ausgangspunkt des Gegentores durch David Jarolim (82.). „Der HSV war in seiner Kompaktheit zu stark für uns“, analysierte Skibbe, der die Ursache im Mittelfeld und dort im kurzfristigen Ausfall von Bernd Schneider (Schienbeinprellung) sah: „Damit hat uns die ordnende Hand gefehlt. Ohne Bernd war das Mittelfeld ein bisschen jung“. Barnetta, Rolfes und Gonzalo Castro in der Zentrale waren gemeint. Doch Leverkusens Spiel litt auch sehr unter dem weitgehenden Ausfall beider Flügel (Krzynowek und Freier) und der Stürmer Berbatow und Woronin. „Uns hat die Durchschlagskraft gefehlt“, bemängelte Skibbe, der mit einem Sieg, vier Unentschieden und drei Niederlagen inklusive Pokal die Betriebsunfall-Serie dieser Saison bisher nur fortschreibt. Der 40-jährige Trainer sagte am Samstag Sätze, die in einem normalen Klub mit internationalen Ambitionen Wucht und Dynamik entwickeln würden: „Der HSV ist eine Spitzenmannschaft. Da sind wir weit von weg. Wir müssen uns offensiv verstärken.“ Das ist immerhin das Gegenteil dessen, was Geschäftsführer Holzhäuser ins Stadionheft schrieb: „Nach wie vor gehört der mit Nationalspielern gespickte Kader zur Spitze der Liga.“


    Die Reaktionen seiner Chefs auf Skibbes Vorstoß dürften den Trainer überraschen: Zwar sei durch die zweite Heimniederlage „ein bisschen Stillstand im Mittelfeld“ eingetreten, wie Sportchef Rudi Völler einräumt. Dies sei aber kein strukturelles Problem: „Die 14 Punkte Rückstand auf den HSV geben nicht den Qualitätsunterschied wieder.“ Holzhäuser rechnet vor, wie leicht man theoretisch noch den Uefa-Cup-Platz erreichen kann: „Es sind noch viele Spiele in dieser Saison“ - Beschönigen ist in Leverkusen fester Bestandteil der Klubkultur.


    Skibbes Traum von Neuzugängen im Mittelfeld wird platzen. Zurzeit sieht die Führung keinen Handlungsbedarf. Lediglich das Bemühen um den tschechischen Stürmer Michal Papadopoulos wird verstärkt. „Es sind Konkurrenten auf den Plan getreten. Kann sein, dass wir ihn jetzt schon vom Markt nehmen müssen“, sagt Holzhäuser über den Stürmer. Der 20-Jährige wird womöglich schon im Winter kommen und darf dann versuchen, an Woronin und dem seit 859 Minuten in der Bundesliga torlosen Berbatow vorbeizukommen.


    Ob Jens Nowotny in der Ära Skibbe noch zum Einsatz kommt, ist weiter unwahrscheinlich. In vielen Gesprächsrunden ging es am Samstag um ein Zitat von Werner Wenning, dem Vorstands-Vorsitzenden der Bayer AG. Der Konzernchef hatte sich auf einer Japan-Reise zum Thema geäußert. „Es wird auch weiter so sein, dass Nowotny nicht mehr für und spielen wird.“ Eine öffentliche Einmischung des Konzerns in die Personalien des Klub wäre ein Novum. Alle Funktionsträger, allen voran der Bayer-Sportbeauftragte Meinolf Sprink, waren deshalb um Relativierung bemüht. „Das Thema Nowotny gehört klassisch zum operativen Geschäft des Klubs. Also wird es auch dort behandelt“, sagte Sprink.


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