Geld kauft doch keine Titel

  • Geld kauft doch keine Titel


    Die Konzerne hinter den Werksklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg mußten sich von hochfliegenden Zielen verabschieden


    Von Udo Muras und Jens Bierschwale


    Den ominösen Tag haben sie in Wolfsburg bis heute nicht vergessen. Am 23. Februar 2002 geschah es, daß der Traum von der Champions League über Wolfsburg kam. Der damalige Arbeitsdirektor von Volkswagen, Peter Hartz, mittlerweile auch durch ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und unsittliche Dienstreisen bekannt, brüllte bei einem Heimspiel des lokalen Bundesligisten ins Mikrofon: "Ich verspreche euch, daß wir bis 2007 in die Champions League kommen." Die Fans jubelten, es schien für Wolfsburg der folgerichtige Schritt nach Bundesliga-Aufstieg, ICE-Anschluß, Autostadt-Bau und VolkswagenArena.


    An jenem Wochenende kletterte 363 Kilometer weiter westlich ein ebenfalls nicht sonderlich populärer Verein an die Tabellenspitze: Bayer Leverkusen. Der Klub vom Rhein schickte sich in jenem Jahr an, alle verfügbaren Titel zu gewinnen - und brachte es dann fertig, drei Mal ehrenhaft-tragischer Zweiter zu werden - inklusive Champions League. In der Branche war man sich sicher, daß mit den beiden einzigen Werksklubs der Liga zwei schlafende Riesen erwacht waren. Es herrschte Goldgräberstimmung bei den Konzernablegern.


    Drei Jahre später will davon niemand mehr etwas wissen. Der Respekt der Konkurrenz hat sich in Schadenfreude gewandelt. Der Wettbewerbsvorteil, den die Großkonzerne Volkswagen und Bayer ihren Angestellten in kurzen Hosen verschafften, scheint zu verpuffen. Titel hat das Geld der Industrie den Klubs nicht eingebracht, und nahezu zeitgleich widerrufen sie nun ihre Ziele. Nach der Entlassung von Leverkusens Trainer Augenthaler im September hatte Nachfolger Michael Skibbe das Gerede von Platz eins bis fünf verboten.


    In Wolfsburg stellte die Klubführung in dieser Woche klar, daß sie die Königsklasse für unrealistisch halte. Eigentlich handele es sich um eine Richtigstellung, so Geschäftsführer Klaus Fuchs, "die Champions League ist im Grunde seit zwei Jahren kein Thema mehr". Was vernünftig ist bei einer mittelmäßigen Bundesliga-Mannschaft.


    VW zahlt kontinuierlich rund 15 Millionen Euro im Jahr und garantiert Schuldenfreiheit und den achthöchsten Etat (52 Mio.) der Liga. Bei den Personalkosten (26 Mio.) steht der VfL auf Platz sieben. Die Situation bei VW, wo bis 2008 sechs bis acht Milliarden Euro eingespart werden sollen, erlaubt keine Zuschläge mehr. Weshalb sie beim VfL künftig mit Platz fünf und dem Einzug in den Uefa-Cup schon hochzufrieden wären. Der wurde zuletzt 1999 erreicht.


    Bei Leidensgenosse Leverkusen hat das Gespür für das Machbare erst mit Verzögerung eingesetzt. Bayer verabschiedete sich erst aus der Spitzengruppe der Liga, dann aus dem Uefa-Cup und schließlich aus dem DFB-Pokal. So steht die sportliche Bestandsaufnahme in krassem Gegensatz zum finanziellen Input: 25 Millionen Euro erhält die Fußball-GmbH von der Bayer AG per annum. 20 Millionen davon sind reines Sponsoring, fünf Millionen "eine Hilfestellung für das Betreiben des Stadions", wie es Meinolf Sprink, Sportbeauftragter des Konzerns, nennt.


    In der Liga bekommt nur Bayern München von Sponsor Telekom eine ähnlich hohe Zuwendung - der Branchenprimus dankt es mit Titeln. Bayer nicht. Vor allem das Aus im Uefa-Cup schmerzt. "Wenn wir international spielen", sagt Sprink, "profitieren wir als Unternehmen mit unseren Auslandsvertretungen davon." Zuletzt hat Sprink das zu spüren bekommen, als er beim Weltverband Fifa einen Vortrag hielt und ständig auf Tranquillo Barnetta angesprochen wurde. Bayers Jungprofi hat sich gerade mit der Schweiz für die WM qualifiziert, mit derartigen Erfolgen wächst immer auch ein Stück der Bayer-Popularität im Ausland. Auch "weil wir mit dem Namen des Unternehmens im Vereinsnamen wuchern können", so Sprink.


    Dieser Image-Transfer entfällt - ebenso wie das gönnerhafte Verhalten der Zentrale ausbleibt. Seit 2000 hatte der Bayer-Konzern seine Zahlungen verdoppelt - auch, um endlich den Meistertitel zu gewinnen. Das Sponsoring wurde inzwischen auf die ursprüngliche Summe zurückgefahren: Wie in Wolfsburg reicht nun der Einzug in den Uefa-Cup. Die Goldgräberstimmung ist dem Mittelmaß gewichen.


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