Völler kritisiert Augenthaler

  • Meistens ist Rudi Völler die Höflichkeit in Person, der wandelnde Ausgleich und nicest man im Fußballbusiness. Manchmal aber auch nicht.


    Von Christoph Biermann


    Dann kräuselt sich gefährlich die Stirn, spannen sich drohend die Nasenflügel, und dann beginnt der Manager von Bayer Leverkusen erst zu zischen und dann zu poltern. Ganz so legendär wie bei seiner Mist-und-Käse-Rede als Bundestrainer vor gut zwei Jahren auf Island fiel sein Wutanfall nach der 1:2-Niederlage gegen Hertha BSC nicht aus. Aber sein Nachtreten gegen Klaus Augenthaler war doch bemerkenswert krachend.


    „Im Winter werden wir eine Vorbereitung machen, damit die Mannschaft nicht für 60 oder 70 Minuten Luft hat“, sagte Völler, und das ging eindeutig gegen den vor zwei Monaten geschassten Trainer.


    Ob konditionelle Mängel jedoch wirklich das große Problem von Bayer sind, ist fraglich, obwohl Leverkusen gegen die Berliner durch Gegentore in der 58. und 64. Minute Berbatovs frühe Führung verspielte und nach dem Rückstand fast schon apathisch über den Platz wankte.


    Die Diskrepanz zwischen einer ordentlich bis guten Leistung in der ersten Halbzeit und dem anschließenden Totstellreflex erstaunte auch Mannschaftskapitän Carsten Ramelow. „Es ist sehr merkwürdig, dass wir es über 90 Minuten nicht hinbekommen“, sagte er. Doch mangelt es Bayer wirklich nur an Kraft?


    Sturmalternative gesucht


    Trainer Michael Skibbe sah gegen Hertha „eine Kombination aus fehlendem Esprit und fehlendem Laufvermögen“ als entscheidende Beiträge zur Niederlage. Außerdem ist ihm nach den Spielen gegen den HSV und Hertha aufgefallen, „wie wenig Fehlpässe etwa Marcelinho oder Bastürk, van der Vaart oder Beinlich spielen“. Bayers Spiel fehlte solch ein ruhender Pol im Mittelfeld völlig, zumal Bernd Schneider wegen einer Verletzung nicht dabei war. Dazu kamen „Anfängerfehler“ (Ramelow), wie bei Herthas Ausgleich durch Bastürk. Er fiel nach einer Ecke – für Bayer Leverkusen.


    Auch der neue Trainer, der es in sieben Punktspielen unter seiner Leitung auf nur einen Sieg und drei Remis gebracht hat, hofft auf die Aufbauarbeit in der Vorbereitung auf die Rückrunde. „Es gibt genügend Ansatzpunkte, die man anpacken kann“, sagte Skibbe. Auch fürs Personal gilt das. Der schwedische Linksverteidiger Frederik Stenman ist bereits fest für die Rückrunde verpflichtet, und „eine Alternative im Sturm würde uns auch gut tun“, sagte Skibbe. Dimitar Berbatov spielte zwar stark gegen Hertha BSC, aber Andrej Voronin fehlt es derzeit an Präzision und Übersicht. Dennoch gibt es zu ihm bislang keine Alternative.


    Angesichts einer langen Mängelliste und des Umstands, dass seine Mannschaft im Moment offensichtlich nur zur Teilzeitarbeit in der Lage ist, kündigte Trainer Michael Skibbe eine veränderte Zielstellung an. „Wir müssen von den eigenen Ansprüchen total abrücken“, sagte er. Nach zwei Heimniederlagen innerhalb von sieben Tagen und einem elften Tabellenplatz ist der Abstand zu den internationalen Plätzen inzwischen größer als zu einem Abstiegsplatz, von dem Bayer nur noch sechs Punkte trennen.


    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir da unten reinrutschen“, sagte Rudi Völler am Ende trotz aller Wut. Noch hat der Abstiegskampf zwar nicht begonnen, aber die Erinnerung daran, wie schnell das passieren kann, ist in Leverkusen noch frisch genug.


    [URL=http://www.sueddeutsche.de/,spol1/sport/bundesliga/artikel/669/65604/](SZ vom 6.12.2005)[/URL]