Frankfurt ist bereit für höhere Ansprüche

  • Mit 21 Punkten auf der Habenseite hat die Frankfurter Eintracht als bestplatzierter Aufsteiger auf Tabellenplatz zehn überwintert und reist entsprechend selbstbewusst zum Rückrunden-Start in der BayArena an. Zwar lautet das Saisonziel in der Main-Metropole unverändert, um jeden Preis einen erneuten Abstieg zu vermeiden, doch die jüngste Entwicklung des Traditionsklubs ist in der Tat bemerkenswert und gibt, bei anhaltendem Trend, mittelfristig durchaus Anlass zu höheren Ansprüchen. Auch wenn sich die Verantwortlichen bei solchen Prognosen, aus gutem Grund, bedeckt halten und locker abwinken.
    Das ist nicht leicht in dieser Stadt und in diesem Verein, dessen Fans zum Überschwang neigen und sich in der Vergangenheit – beispielsweise 1998 oder 2003 - immer wieder der Realität verweigerten, indem sie als Bezugsgrößen für ihre Erwartungen den Meistertitel von 1959 oder den 1980 gewonnen UEFA-Pokal heranzogen. In der Regel folgten Ernüchterung, Kater und entsprechende Enttäuschung auf dem Fuße.


    Dass sich die sprichwörtliche „Diva vom Main“ diesmal nach der Rückkehr ins Oberhaus das Näschen gepudert, ein bisschen frisch gemacht hat und bisher auf dem Teppich geblieben ist, ist vor allem zwei Herren zu danken, die in der Szene dafür bekannt sind, gerade im Überschwang der Gefühle klaren Kopf und die Übersicht zu behalten.


    Heribert Bruchhagen, dem Vorstandsvorsitzenden, und Friedhelm Funkel, dem Coach, der mit der Eintracht den fünften Aufstieg seiner Trainer-Laufbahn in der Bundesliga feiern konnte (zuvor zwei Mal mit Uerdingen, dann mit Duisburg und dem 1. FC Köln).


    „Vater aller Schnäppchen“


    Der Name des Ostwestfalen Bruchhagen (57), eines zurückhaltenden und erfahrenen Mannes mit Einsätzen bei der DFL, in Hamburg, Schalke und Bielefeld, steht seit gut zweieinhalb Jahren als Garant für Ruhe und Seriosität in einem Umfeld, das nicht immer für gerade diese Tugenden bekannt war. Die inneren Grabenkämpfe sind Vergangenheit.


    Seine Devise: „Nicht mehr Geld ausgeben als wir einnehmen, junge Spieler – möglichst aus der Region – verpflichten, deutschsprachige Spieler holen.“ Das brachte ihm einerseits den anerkennend-neidischen Beinamen „Vater aller Schnäppchen“ ein, andererseits aber auch einen in dieser Branche, die es gewohnt ist, auf großem Fuße zu leben, vergleichsweise unüblichen Haushaltsabschluss:


    „Wir haben erstmals seit vielen Jahren die Lizenz ohne Auflagen und Bedingungen erhalten und die Transfers aus dem laufenden Geschäft bezahlt, keinen zusätzlichen Kredit aufgenommen.“


    6:3, 6:0


    Funkel (52), der derzeit dienstälteste Chefübungsleiter der Liga, ein notorischer Drei-Tage-Bart-Träger, der am Rande des Rasens dem Geschehen gewöhnlich mit Buster Keaton-Miene folgt und doch schwer zu bremsen ist, wenn er mal aus sich raus geht, ist in der nagelneuen Commerzbank-Arena auf dem besten Weg, sich von dem ihn beharrlich verfolgenden Vorurteil zu befreien, seinen Mannschaften antiquierten Defensivfußball zu verordnen.


    Die Eintracht 2005/2006 agiert offensiv, wovon nicht nur die beiden Sixpacks der Vorrunde (6:3 gegen Mitaufsteiger Köln und ein 6:0 gegen Schalke im DFB-Pokal) Aufsehen erregend Zeugnis ablegen. Spielwitz attestieren die Beobachter der Eintracht. „Geniestreiche“ schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Hessen-Kickern nach dem denkwürdigen Schalke-Abend zu.


    Funkel, der Niederrheiner, der so gerne feiert und jedes Jahr im Sommer mit seinen Freunden in der grün-schwarzen Tracht der „Bommelanten“ im berühmten Neußer Schützenzug mitmarschiert, freute sich auf seine bescheidene Art und stellte die Fortschritte seiner Mannschaft in den Mittelpunkt.


    Aufschwung mit Copado


    Die sind augenscheinlich, an Zahlen festzumachen und in der Tat Grund zum Jubel. Die Frankfurter haben sich seit dem neunten Spieltag mit ansehnlichen Vorstellungen vom Abstiegskandidaten Nr. 1 auf dem untersten Treppenabsatz des Rotlichtbezirks auf den zehnten Rang vorgearbeitet.


    „Am Anfang hatten wir große Gegner und wir waren mit unserer jungen Mannschaft in der Lernphase“, analysiert Mittelfeldspieler Jermaine Jones, der vor Jahr und Tag sein unbefriedigendes Kurzgastspiel bei Bayer 04 abgebrochen hatte und zur Eintracht zurückgekehrt war, die Vorrunde, „danach lief es einfach prima, was auch Francisco Copado zu verdanken ist.“ Der frühere Unterhachinger Stürmer (31), der manchmal auf seine Ähnlichkeit mit Robbie Williams angesprochen wird, galt in seinem bisherigen Profi-Leben als Bruder Leichtfuß.


    Seit Funkel ihn neben den Griechen Amanatidis als zweite Spitze positionierte, läuft’s. „Ich freue mich für ihn, dass er auf seine alten Tage die Kurve gekriegt hat, allerdings hat er enorm viel Zeit verplempert“, lobte Hermann Gerland im Fachblatt „Kicker“, der ihn einst vom RCD Mallorca zu Tennis Borussia gelotst hatte.


    Abschied von van Lent


    Amanatidis und Copado vorneweg, im offensiven Mittelfeld der lange Alex Meier, der aufs Nationaltrikot schielt, Jones und der Brasilianer Chris defensiv dahinter, sowie der wieder erstarkte Marko Rehmer, den Hertha BSC ein Jahr lang mit dem Gesicht zur Wand in die Ecke gestellt hatte, sie bilden die Achse der Eintracht. In der Winterpause hat man Arie van Lent nach Essen zu Rot-Weiß in die Regionalliga ziehen lassen. Auf Ersatz für den routinierten Stürmer wurde verzichtet.


    An ihren guten Tagen präsentiert sich die Diva mittlerweile wie einem Jungbrunnen entstiegen. Dass es dann bei allem Sturm und Drang noch an Cleverness und Routine vor allem vor dem gegnerischen Tor fehlt, wer wollte ihr das verübeln? Friedhelm Funkel jedenfalls nicht, der in seiner Trainer-Karriere bislang „in 90 Prozent der Spiele“ bis zum Schluss entweder gezittert oder sich geärgert hat: „Wir haben eine Hinrunde gespielt, mit der ich absolut zufrieden bin“.


    Diesmal sollte die Rückrunde, wenn es nach ihm und den Eintracht-Fans geht, etwas weniger nervenaufreibend verlaufen. Eine Handvoll sehr erfolgreicher Hallen-Auftritte, die den Spielwitz noch beleben sollten, und das Trainingslager an der portugiesischen Algarve haben dafür die Grundlage geschaffen.


    http://www.bayer04.de