Viel Gewürge in Leverkusen - Artikel aus dem Hauptsport der Rheinischen Post

  • So laut wie in der Pause der Begegnung mit Eintracht Frankfurt erlebten
    die Leverkusener Fußballprofis Trainer Michael Skibbe noch nie. Auch Sportchef Rudi Völler übte trotz des 2:1-Sieges Kritik.


    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Wenn viel Ballast abgefallen ist, geht es manchmal hoch hinaus. Ohne alle seelische Beschwernis vollführte Michael Skibbe seinen Luftsprung, die Arme geschmeidig gestreckt. Bayer Leverkusens Trainer durfte das schmeichelnde 2:1 gegen Frankfurt getrost als Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung bewerten, die Leverkusener Führung mit Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler zog sich nach dem sportlichen Akt der Deeskalation bei hochexplosiver Gemengelage geordnet zurück. Und im Bewusstsein des (erst) zweiten Sieges in zehn Bundesligapartien in seiner Amtszeit gestattete sich Skibbe ein paar starke Worte der von Teilen der Mannschaft wegen seiner Sanftmut und stillen Art schon ausgiebig parodierte Fußballlehrer hatte seine Wüterich-Premiere.
    „Den Dreck, den wir in der ersten Halbzeit gespielt haben, können wir nicht weiter anbieten. Wir müssen mal richtig aus dem Quark kommen”, sagte Skibbe, der sonst eher zur Hochsprache neigt, reichlich aufgebracht. Und ein Ohrenzeuge, der seinen Vorgesetzten in der Pause hatte schreien hören und toben sehen, meinte arg verwundert: „So laut habe ich den Trainer noch nie erlebt.”
    Für Rudi Völler, dem cholerische Anfälle nicht fremd sind, schien der verbale Ausbruch des sich meist vornehm ausdrückenden Übungsleiters in einer nicht schalldichten Kabine zwingend. „Wir haben ja in der ersten Halbzeit nicht mal schlecht gespielt, sondern gar nicht. Alibi war das, Angsthasen-Fußball, wie ein Freundschaftsspiel”, bekräftigte der erst spät besänftigte Sportchef: „Nachher ist unsere Mannschaft aufgetreten, wie wir uns das vorstellen.”
    Das positive Nachher freilich ließ sich weniger verbinden mit Skibbes geharnischter Intervention als mit passendem Personalwechsel, einer für Bayer glücklichen Einflussnahme der Eintracht und des Schiedsrichters. Paul Freier benötigte bei seinem ersten Saisontor den Frankfurter Mittelfeldmann Copado als Bande, dem 2:1 des sicheren Elfmeterschützen Jörg Butt („Vom Pfiff bis zur Ausführung hat es nervend lange gedauert”) ging eine fragwürdige Foul-Entscheidung nach einem Laufduell zwischen Athirson und Vasoski voraus.
    Bei soviel Ungemach und Säuernis verdammte sich Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel zum Schweigen. „Ich hab‘ schon genug Strafgelder bezahlt”, meinte er knapp. Dass die Hessen die anfangs wahlweise ängstlichen, apathischen oder paralysierten Leverkusener bei nur einem Tor von Amanatidis (zudem ein Pfostenschuss) und Chancen für Vasoski und Chris pfleglich behandelt hatten, mochte die üble Laune des Eintracht-Coaches befördert haben. „Vielleicht fehlte uns etwas die Kraft nach dem Pokalspiel in München.”
    „Gas geben und richtig Fußball spielen” das ist Skibbes ewig-neues Stichwort für die kommenden Wochen und Monate. Gewähr dafür mag er selbstverständlich nicht übernehmen, schon gar nicht für den Samstag, wenn sein nach wie vor zerbrechliches Ensemble dem Meister in Bayern seine Aufwartung macht. „Hut ab”, sagt Skibbe schon mal Freitag in Mönchengladbach, „München ist die Ausnahmemannschaft schlechthin. Da wird es für uns nicht mal mit der Leistung unserer zweiten Halbzeit gegen Frankfurt reichen.” In Leverkusen bleibt Dick-Brett-Bohren angesagt.


    Quelle: Hauptsport der Rheinischen Post vom heutigen Tage.