Der Saisonverlauf, die Ereignisse und die Gefühlslage rund um diesen Kölner Abstieg entpuppen sich immer mehr als Abziehbild des letzten Bundesliga-Abstieges der Essener Rot-Weißen vor 41 Jahren.
Man lese und staune.
RWE 1976/77.
Da schau her, das ist ja ein ganzes Album von Abziehbildern:
Abziehbild Nr. 1 - Drei Jahre zuvor, 1972/73, ist Rot-Weiß Essen wieder einmal nach einem Kurzaufenthalt in der Zweitklassigkeit in die Bundesliga zurückgekehrt.
Abziehbild Nr. 2 - Nach zweien dieser drei Jahre hat RWE sich mit jeweils sicherem Klassenerhalt anscheinend für längere Zeit in der Bundesliga etabliert.
Abziehbild Nr. 3 - Im dritten Jahr, 1975/76, wird mit dem erfolgreich arbeitenden Trainer Ivica Horvat ein UEFA-Cup-Platz bei Punktgleichheit nur wegen der schlechteren Tordifferenz ganz knapp verpasst.
Abziehbild Nr. 4 - Im vierten Jahr, 1976/77, stehen nach den ersten 15 Spielen nur 6 Punkte (nach der 3-Punkte-Wertung) zu Buche;
Abziehbild Nr. 5 - was nicht zuletzt dem Verlust der vor Saisonbeginn abgewanderten Leistungsträger und Torgaranten Willi "Ente" Lippens und Manni Burgsmüller geschuldet ist.
Abziehbild Nr. 6 - Noch vor Ende der Hinrunde wird Trainer Horvat entlassen;
Abziehbild Nr. 7 - mit einer vereinsinternen Lösung beordert man den vorherigen Co-Trainer Hermann Erlhoff als neuen Cheftrainer auf die Bank.
Abziehbild Nr. 8 - Daraufhin wird vom Ende der Hinrunde bis weit in die Rückrunde hinein mit einer unglaublich anmutenden Serie von 12 (!!!) bärenstarken Spielen der Hebel umgelegt.
Am 16. Spieltag das spektakuläre 4:4 im Nordrhein-Derby bei Fortuna Düsseldorf.
Am 17. Spieltag der unerwartete 2:1-Heimsieg gegen den Meisterschaftsmitfavoriten aus Braunschweig.
In der Woche vor Weihnachten mental frisch gestärkt den Bundesliga-Reviernachbarn VfL Bochum mit 5:1 aus dem Sechzehntelfinale im DFB-Pokal geballert.
Eine Woche nach Neujahr im DFB-Pokal-Achtelfinale mit 2:0 den Tabellenführer der 2. Liga Nord Arminia Bielefeld aus dem Wettbewerb geworfen.
Am 18. Spieltag ein weiterer Heimsieg gegen den angehenden Mitabsteiger TB Berlin.
Am 19. Spieltag ein unglückliches 2:2 nach 2:1-Führung beim angehenden Halbfinalgegner und Pokalsieger Köln.
Am 20. Spieltag dem angehenden Vize-Meister Schalke ein 2:2 abgerungen.
Am 21. Spieltag die einzige Niederlage dieser Serie, 3:5 beim amtierenden Pokalsieger HSV.
Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals durch einen 2:1-Auswärtssieg bei der SpVgg Bayreuth (2. Liga Süd).
Am 22. Spieltag auch den zweiten angehenden Mitabsteiger Saarbrücken im Heimspiel 1:0 geschlagen.
Am 23. Spieltag einen weiteren Punkt mit dem 1:1 bei Hertha BSC nachgelegt.
Am 24. Spieltag den angehenden Deutschen Meister Mönchengladbach mit 1:0 aus dem Georg Melches gefidelt.
Wenig später im DFB-Pokal erst im Halbfinale gegen den angehenden Pokalsieger Köln ausgeschieden.
Abziehbild Nr. 9 - Was sind die trotz aller Ab- und Wiederaufstiege stets treuen RWE-Fans aus dem Häuschen, wie das Team von Hermann Erlhoff um den Kapitän und späteren Frankfurter UEFA-Cup-Sieger und langjährigen Trainer-Wandervogel Werner Lorant, den späteren Kaiserslauterer Kapitän Hans-Günter Neues, den späteren HSV-Meister, HSV-Europapokalsieger der Landesmeister und langjährigen DFB-Trainer Horst Hrubesch und den Jungstürmer und späteren Nationalspieler Frank Mill Spieltag für Spieltag voller Leidenschaft gegen das am Ende Unvermeidliche ankämpft.
Abziehbild Nr. 10 - Doch nach dieser fulminanten Aufholjagd ist der Akku leer, körperlich und mental ausgelaugt, kehrt die Erfolglosigkeit der Hinrunde zurück; die beiden Heimsiege am 30. Spieltag gegen Kaiserslautern und am 33. Spieltag im Nordrhein-Derby gegen Düsseldorf kommen zu spät und können den vierten Abstieg aus der Erstklassigkeit nicht mehr verhindern.
Es darf an dieser Stelle glaubhaft versichert werden, dass RWE den Zuschauern auf den Rängen von den 1960ern bis in die 1980er Jahre, also in den Jahrzehnten nach der großen Titel-Ära, einen um Klassen besseren Fußball bietet, als Köln dies nur wenig später, nämlich ab den 1990er Jahren, tun wird.
Keiner, aber wirklich kein einziger unter den deutschen Fußballfans verschwendet auch nur einen Gedanken daran, dass er am 14. Mai 1977 das vorletzte Bundesligaspiel des großen Traditionsvereins Rot-Weiß Essen zu sehen bekommen soll, wo der an diesem Tag beim 5:3 im Nordrhein-Derby gegen Fortuna Düsseldorf gefeierte letzte Bundesliga-Sieg doch so viel Hoffnung für einen umgehenden Wiederaufstieg mit auf den Weg in die Zweite Liga gibt.