Zeigt man dem emotional aufgeladenen Theater einmal die kalte Schulter, und wendet sich statt dessen dem sehr viel interessanteren weil zivilrechtlich relevanten Sachverhalt zu, so hat man in der Tat allen Grund, sich höchst irritiert zu zeigen.
Der Reihe nach.
Am 06.08.2024 heißt es im Kicker:
"Jetzt hat es den entscheidenden Schritt in den Gesprächen zwischen den beiden Klubs gegeben: Diese haben nach kicker-Informationen eine klare Absprache bezüglich der Ablöse und der zuzüglichen Boni getroffen. Diese liegen in dem Bereich von etwa 25 Millionen Euro feste Transferentschädigung sowie ungefähr fünf Millionen an leistungsabhängigen Zusatzzahlungen.
Perfekt ist der Deal damit aber noch nicht. Sind die Münchner doch erst bereit, Tah, der nicht in Leverkusen verlängern möchte, aus seinem bis 2025 laufenden Vertrag für diese Summe herauszukaufen, wenn Bayern-Innenverteidiger Matthijs de Ligt verkauft wurde."
Am 14.08.2024 ebd:
"Ursache für Carros Breitseite gegen Eberl, über die der kicker exklusiv berichtet hatte, war der Verlauf der Transferverhandlungen um Leverkusens Abwehrchef Jonathan Tah: Über dessen Wechsel gab es bereits eine mündliche Absprache zwischen den Klubs, die jetzt aber von Münchner Seite so nicht umgesetzt wird."
Kommen wir damit zum Eingemachten.
Was vielen nicht bekannt sein dürfte, Verantwortlichen von Profi-Fußball-Clubs hingegen schon allein deshalb stets bewusst sein muss, weil sie sich im Falle der Zuwiderhandlung der Gefahr aussetzen, zivilrechtlich verklagt und im worst case auch verurteilt zu werden, ist der im deutschen Zivilrecht festgeschriebene Pferdefuß mündlicher Absprachen (auch "Vertrag per Handschlag" genannt):
Sie sind schriftlich abgeschlossenen Verträgen gleichgestellt.
Und genau deshalb wird die Absprache in der Causa Tah äusserst heikel.
Denn die Tatsache, dass es diese "klare Absprache" bzw. diese "mündliche Absprache" gegeben hat, ist von niemandem dementiert worden.
Und das bedeutet im Falle der Nicht-Erfüllung derselben (mündlichen Absprache):
Vertragsbruch!
Das ist aber noch längst nicht das Ende der Fahnenstange, denn auch die Differenzen des Personals auf höchster Bayern-Ebene hinsichtlich der Verpflichtung von Tah sind bekannt und medial kommuniziert.
Wird der Vertragsbruch nämlich nicht durch einen Untergebenen (hier: Eberl) begangen, sondern von dessen Weisungsbefugten (hier: Aufsichtsrat des FC Bayern mit Hoeneß, Rummenigge, Hainer, Stoiber etc.);
oder wird der Untergebene von Weisungsbefugten gar zum Vertragsbruch angestiftet;
so sind diese (Weisungsbefugten) auch die zivilrechtlich Verantwortlichen - gerade für einen mit Vorgeschichte wie Hoeneß ein suboptimales Horror-Szenario.
Hingegen haben Fernando Carro und Simon Rolfes sich nichts zuschulden kommen lassen, denn sie haben ihre Bereitschaft zur Vertragserfüllung (= ihren Willen zur Abwicklung des Transfers) wiederholte Male öffentlich und ausdrücklich betont.
Da sich die Durchsetzbarkeit einer Zivilklage in Sachen mündlicher Absprachen erfahrungsgemäß ungleich schwieriger darstellt als bei schriftlichen Verträgen, wird Bayer 04 diesen Weg der Ungewissheit nicht gehen wollen.
Die Verärgerung von Carro samt seiner Aussagen ist also sowohl nur allzu verständlich, als auch sachlich folgerichtig:
Mit einem Vertragspartner (hier: FC Bayern), der seine Integrität und Vertrauenswürdigkeit höchstselbst zerstört hat, führt in Zukunft niemand mehr, der noch alle Sinne beisammen hat, mündliche Verhandlungen.
Was würde das schließlich für ein Bild tiefsten Misstrauens abgeben, wenn Gesprächen über zu vereinbarende Vertragsinhalte nur noch unter der Bedingung zugestimmt würde, dass anwesende Notare den genauen Wortlaut der Gesprächsinhalte protokollieren und mit der vertraulichen Verwahrung ihrer Protokolle beauftragt würden...