Wann kommt der große Sprung des 1. FC Köln?
Der 1. FC Köln fällt zurück im Vergleich mit der Deutschen Fußball-Spitze. Das sagt Fußball-Berater Thomas Kupfer und zeigt, wie der Verein es schaffen könnte.
Der 1. FC Köln hatte die Modernisierung des Profifußballs bis Mitte der 90er Jahre verschlafen und die notwendige Professionalisierung viel zu spät eingeleitet. Als das geschah, wurden in etlichen Bereichen die richtigen Hebel angesetzt, die Führung verbessert, mehr professionelle Stellen geschaffen und der Profibetrieb in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert.
Finanzplanung, Controlling und Elemente einer Unternehmensteuerung hielten Einzug. Es wurde in die Infrastruktur investiert, das neue Stadion gebaut. In dieser Phase aber wurde der Kölner Club auch Tochterfirma des globalen Vermarkters IMG.
Seit Jahren ist der Rückstand der Kölner zur nationalen Spitze, zu der man laut Führungsbeschlüssen der Saison 2005/06 in vier Jahren aufgeschlossen haben will, sportlich und wirtschaftlich größer geworden. Früher kleinere Konkurrenten sind vorbeigezogen. Der erneute Abstieg in die 2. BL im Sommer 2006 und der gescheiterte sofortige Wiederaufstieg sind nur Facetten dieses Abgleitens.
An der Spitze des 1. FC Köln arbeitet nach A. Caspers, dem Wirtschaftsmanager im Ruhestand, seit einigen Jahren mit Wolfgang Overath ein Großer aus der Spielergarde früherer Erfolgsperioden. Sie haben beide mit ihren Mitarbeitern Fortschritte erarbeitet, doch der Sprung nach vorn gelang nicht. Als Trainer kehrte Christoph Daum im Spätherbst 2006 an den Ort seiner ersten Erfolge zurück. Eine Art Neuanfang in Deutschland. Besser wurde bisher nichts.
In der 2. BL liegt der 1. FC Köln mit Erträgen von über 30 Mio., mit durchschnittlich mehr als 40.000 Besuchern der Heimspiele und mit seinen Investitionen in Spieler und Trainer in der Spitze. Dennoch war der Club wieder einmal nicht in der Lage, sich sportlich durchzusetzen. Für die Bundesliga zu schwach, für die 2. Liga zu groß, aber nun auch nicht mehr stark genug für den sofortigen Wiederaufstieg trotz großer Investitionen?
Die Gründe für das Verharren als Yoyo-Club liegen tiefer und sind komplexer, als es in Köln bisher anerkannt wird. Spätestens jetzt gehören die Strategie, das Geschäftsmodell, die Wertschöpfungsprozesse aller Geschäftsfelder, auch der fremdvergebenen, und auch alle Bereiche der sportlichen Arbeit des 1. FC Köln auf den Prüfstand. Bisherige Analysen und Planungen greifen nicht. Ja, es muß um den sportlichen Erfolg gehen. Doch für eine größere sportliche Konkurrenzfähigkeit sind endlich die nötigen komplexen Bedingungen auf andere Weise als bisher zu schaffen.
Dabei es gibt diverse Stärkepositionen des 1. FC Köln. Dazu gehören vor allem:
- der Massenanhang des Clubs und das wirtschafts- und einwohnerstarke Einzugsgebiet;
- die Nachwuchsarbeit mit eigener Datenbank, Scouting, Talentesschwerpunkten und Ausbildungssystematik, die aber qualitativ verbessert werden müßte;
- die Kommunikations- und Marketingtechniken, die modern und ausstrahlungsstark sind, aber durch das fehlerhafte Geschäftsmodell an Wirkung, an Effizienz verlieren;
- das RheinEnergieStadion, eine moderne Sportstätte mit gutem Logenkomplex, das allerdings unzureichend Erträge an Nichtspieltagen, z.B. durch Catering, Fitneß und Freizeitsport, integrierte Geschäftskomplexe und dgl. erwirtschaften läßt;
- die systematische Einbeziehung der Nutzung moderner Finanzinstrumente.
Tatsächlich sind in Köln auch die Philosophie und die bisherige Vorgehensweise von IMG und McKinsey gescheitert, auf denen das „Kölner Modell“ basiert. Sie haben schlechte Ergebnisse erzielt. Es wirkt sich seit Jahren nachteilig aus, daß beim 1. FC Köln wie im Mutterhaus IMG das Kerngeschäft eines modernen FC-Unternehmens zu eng gesehen wird. Es sind zu viele Ertragsfelder ausgelagert in den Händen anderer Firmen, die ihre Betriebskosten und Gewinnanteile einstreichen, bevor der Club einen Anteil erhält. Selbst in Bundesligajahren war die Ertragsentwicklung auf fast allen Geschäftsgebieten gegenüber Konkurrenten in dieser Spielklasse unterdurchschnittlich.
Damit kann man nichts aufholen. Lediglich bei TV-Erlösen von der Liga und im Ticketing gab es durch das neue Stadion ein deutliches Wachstum. Doch von den Erlösen aus Eintrittskarten bleibt nach Abzug der Miete und der Betriebskosten nicht wesentlich mehr beim Club, als bereits die Kartenumsätze zu Zeiten des Müngersdorfer Stadions erbracht haben. Für Erträge an Nichtspieltagen aber wurde das neue Stadion unzureichend ausgelegt und schlecht plaziert. Diese aber sind von wachsendem Gewicht für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Spitzenclubs.
Die Strukturen sind unzureichend ausgestaltet. Sie sind zu stark durch Effekte der vorkommerziellen Praxis des Vereins geprägt, auch wenn sich die Fußballkapitalgesellschaft vom Verein teilweise abgenabelt hat. Die Gremien sind miteinander verquickt, Kompetenzen und Aufsichtsfunktionen zu wenig auf ein Fußballunternehmen zugeschnitten. Die fachlichen Perspektiven und die Expertise auf den Führungsebenen wie in den Kontrollgremien müßten verbreitert werden.
Führungsarbeit ist beim 1. FC Köln nicht die initiativreiche Steuerung eines Clubunternehmens und einer Marke mit allen nötigen Ertragsbereichen (Kerngeschäften) in der direkten Regie des Clubs, sondern zu stark die Koordinierung der Aktivitäten anderer Firmen mit den sportlichen Terminen. Denn zu breit wurden Geschäftsbereiche ausgelagert.
Eine vorrangig finanzielle Perspektive für Investitionen in den Spielerkader ist in Köln massiv danebengegangen. Eine Steigerung der Personalquote, für die in Köln durchaus Spielraum vorhanden wäre, ist jedoch nur schwer realisierbar, weil auch hier Gelder an mitverdienende Partnerfirmen gehen, was die Mittel für Sportinvestitionen eingrenzt.
Man unterschätzt zudem die Zeiträume, die nötig sind, den verlorenen Boden gutzumachen und man unterschätzt offenbar auch die Komplexität der Herausforderungen, um aus einem Yoyo-Club wieder einen Spitzenclub zu entwickeln.
Bei der Führung und Entwicklung der 1. Mannschaft ist die Fehlerquote erschreckend hoch. Scouting, Vertragsmanagement und Teamentwicklung erwiesen sich zuletzt als unzureichend, Adhocismus erscheint vorherrschend. Bei nur wenigen guten Spielleistungen wurde erkennbar: Kaum ein Spieler oder Mannschaftsteil hat sich hinreichend weiterentwickelt. Führungsspieler fehlen oder es wurden die falschen eingekauft. Das hemmt auch die Integration und Entwicklung eigener Nachwuchskräfte.
In der sportlichen Führung wurden offensichtlich das spielerische Potential und die Paßfähigkeit mancher Spieler zum Club falsch eingeschätzt. Auch die mentale Führung hat versagt, wie das Gesamtergebnis dieser Saison und etliche unterirdische Leistungen widerspiegeln. Es gibt derzeit keine führungsstarke Achse, zu wenige Spieler und keinen Mannschaftsteil, die wenigstens in der 2. BL Überlegenheit nachweisen.
Wenn in den nächsten Jahren gute Nachwuchstalente zur 1. Mannschaft stoßen, geht es doch jetzt vor allem darum, paßfähige Führungsspieler zu holen oder vorhandene zielorientiert zu positionieren. Gibt es dafür überhaupt Kriterien und genügend Experten im Club sowie erprobte Arbeitsweisen oder ist man von den überwiegend Fehleinkäufe liefernden exklusiven Verbindungen, von den Angeboten der Spielervermittler abhängig?
Die Auswertung vorhandener Daten von IMP München zu den gezeigten spielerischen Fertigkeiten in den Jahren der Bundesligazugehörigkeit seit 1993/94 zeigt für den 1. FC Köln bei Paßspiel, Zweikämpfen, Flanken und Torschüssen fast durchgängig ein unterdurchschnittliches Niveau. Nur ganz wenige vordere Positionen in den Ranglisten dieser Teamfertigkeiten stehen einer großen Zahl von Positionen im letzten Drittel der Bundesliga gegenüber. Ist so etwas je konkret ausgewertet und beachtet worden? Wurden die Trainingsinhalte verbessert? Ist die Entwicklung der Fertigkeiten von Spielern, Mannschaftsteilen und gesamtem Team ein Kriterium bei der Besetzung sportlicher Leitungspositionen? Spielt sie eine Rolle, wenn über Trainerentlassungen oder Neueinstellungen beraten und entschieden wird? Offenbar unzureichend.
Sportlich und wirtschaftlich, strategisch, strukturell und personell braucht der Kölner Club Anregung und Erneuerung. Korrekturen auf mehreren Gebieten sind nötig, um aus dem Yoyo-Dasein herauszufinden, das Potential auszuschöpfen und wieder einen Platz in der Spitzengruppe des deutschen Fußballs zurück zu erkämpfen. Zur sportlichen Verbesserung wie zur Unternehmensentwicklung sollte sich der 1. FC Köln andere Expertisen, wirkliches Fachwissen, neues Denken heranholen.
Quelle: businessnews.com