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DAMEN-HANDBALL IN LEVERKUSEN
Ans Kreuz geliefert
Von Ulrich Hartmann
Abriss der Halle, kein Geld vom Konzern: Den Handballerinnen des TSV Bayer 04 Leverkusen droht der Untergang, weil der Sponsor sich im nächsten Jahr zurückzieht. Das Handballmagazin "HM" hat sich in einem Verein umgehört, der sich noch lange nicht geschlagen geben will.
Manchmal, wenn Renate Wolf über die kommerzielle Kraft des Fußballs spricht, dann breitet sie die Arme aus und fängt an zu flattern. "Die Motten fliegen eben gern ins Licht", sagt sie mit ein wenig Spott in der Stimme. Das Licht strahlt hell und gibt Wärme ab. Alle wollen ins Licht. Fast alle. "Das Licht ist beim Fußball", sagt Renate Wolf. "Da sind die Medien, das Fernsehen, die Sponsoren!" Für andere Sportarten bleibt da manchmal nicht viel übrig.
Renate Wolf weiß das. Die 50-Jährige ist Trainerin und Managerin der Bundesliga-Handballerinnen von Bayer Leverkusen, einem der seit Jahren besten deutschen Teams. Diese Mannschaft soll auch künftig Bayer heißen, auch wenn sie vom Namensgeber, dem Chemie- und Pharmakonzern Bayer, genauso wie die Sportarten Volleyball und Basketball ab dem nächsten Sommer keine Spitzensportförderung mehr erhält. Der Konzern finanziert im Profibereich dann nur noch die Bundesliga-Fußballer von Bayer Leverkusen. Ausschließlich der Fußball habe einen dem finanziellen Aufwand adäquaten Werbewert, heißt es aus dem Konzern. Wenn Renate Wolf so etwas hört, beginnt sie, wieder mit den Flügeln zu schlagen.
Der Mai 2007 war schlimm für die Leverkusener Frauen. Am vorletzten Wochenende jenes Monats haben sie in Nürnberg den bereits sicher geglaubten Meistertitel verspielt. Am Ende fehlten ihnen im Final-Rückspiel zwei Tore. Zwei Tage später erfuhr Renate Wolf, dass sich Bayer zum Ende der Saison 2007/08 aus der Spitzensportförderung zurückzieht. Ein paar Wochen später genehmigte der Konzern auch noch den mit 57 Millionen Euro veranschlagten Ausbau der Fußball-Arena auf mehr als 30.000 Plätze, womit einhergeht, dass die Ulrich-Haberland-Halle als Spielstätte der Handballerinnen im kommenden Sommer abgerissen wird. Binnen weniger Wochen ist denen ziemlich viel Boden unter den Füßen weggerissen worden. "Das tat weh!", sagt Renate Wolf. Sie hat 13 Jahre für Leverkusen gespielt und ist im zwölften Jahr Trainerin der Bundesliga-Mannschaft. Sie hänge an dem Verein, sagt sie. Darum will sie um die Zukunft kämpfen.
Entscheidung in den kommenden Wochen
Wie viel Boden weggerissen wird, ist die große Frage. Im Mai wurde schon spekuliert, ob es Bundesliga-Handball in Leverkusen demnächst gar nicht mehr geben wird, aber so schlimm muss es nicht kommen. Der Bayer-Konzern subventioniert schließlich weiterhin den Nachwuchssport auch der Handballabteilung. Und aus diesem sind in den vergangenen Jahren einige der besten Leverkusener Spielerinnen wie Clara Woltering und Anne Müller hervorgegangen.
Den Breiten-, Jugend- und Behindertensport mit seinen etwa 50.000 Sportlern in 27 Werksvereinen will Bayer unverändert mit 14 Millionen Euro jährlich finanzieren. Davon profitieren auch die Handballerinnen, und in den nächsten Wochen will der Gesamtverein TSV Bayer 04 Leverkusen entscheiden, ob es Bundesliga-Handball in Leverkusen auch künftig geben wird. Das ist zwar nur eine Rechenaufgabe, aber eine schwierige für einen Großverein, dem es finanziell nicht gerade rosig geht. "Unser Ziel ist, nachwuchsgeförderten Spitzensport fortzusetzen", sagt Klaus Beck. Doch der Präsident des TSV Bayer 04 denkt auch an die Volleyballerinnen und die Basketballer. "Wir haben Hoffnung für alle betroffenen Sportarten", sagt er.
Renate Wolf hat zuletzt Klinken geputzt. Einen Business-Club haben die Leverkusenerinnen gegründet und etwa ein Dutzend Sponsoren akquiriert, die auch in der kommenden Saison helfen sollen, einen Etat im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich aufzubringen. Es geht den Handballerinnen nicht nur darum, dass sie sich überhaupt eine Zukunft in der Bundesliga leisten können – sie wollen auch weiter oben mitspielen. Zwölf Mal war Leverkusen Meister und acht Mal Pokalsieger. Erfolg verpflichtet. Mit einem der geringsten Etats der Liga, behauptet Renate Wolf, ist ihr Team seit Jahren eines der sportlich erfolgreichsten.
Die Elfen suchen ihr Glück
Auch in der aktuellen Saison spielen die Bayer-Frauen wieder vorne mit. Sie nennen sich jetzt Elfen. Eigentlich hätten sie lieber Werks-Elfen geheißen, um ihre Nähe zu Bayer und den Fußballern zu dokumentieren, die sich ja neuerdings zum lange verpönten Titel Werks-Elfen bekennen, aber weil die Idee nicht gut angekommen sei im Konzern, sagt Wolf, haben sie sich auf den Namen Elfen beschränkt. Die Elfen suchen jetzt ihr Glück. Sie hoffen auf die Hilfe des Gesamtvereins und dass sie in der Wilhelm-Dopatka-Halle eine neue sportliche Bleibe finden.
Der Notfallplan sähe einen Weggang der Trainerin samt einiger Spielerinnen vor. Über ein solches Personalpaket würde sich mancher Bundesligist freuen. Es habe Angebote von Konkurrenten gegeben, sagt Renate Wolf. Doch sie will viel lieber in Leverkusen bleiben. Trotz Ungewissheit. Trotz Licht und Schatten. Trotz Mottentheorie. Renate Wolf ist dort heimisch geworden. "Ich gehöre zum Inventar!", sagt sie und schlägt nicht mehr mit den imaginären Flügeln, wenn sie kämpferisch und fast ein bisschen trotzig sagt: "Ich will, dass es hier weitergeht!"
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