Kampf um das Bayer-Kreuz - RP vom 22.06.2007 (2007-06-22)
Der Stadt Leverkusen droht der Verlust ihres Wahrzeichens. Bayer will das 51 Meter hohe Firmenlogo aus 1712 Glühlampen demontieren. Doch dieser Plan stößt auf erheblichen Widerstand der Leverkusener. Sie kämpfen für „ein Stück Stadtgeschichte“.
LEVERKUSEN - In Leverkusen haben sich Bürger zu einem modernen Kreuzzug aufgemacht. Sie streiten für den Erhalt von 1712 Glühlampen. Die will der Chemieriese Bayer ausschalten, rausdrehen, abreißen. Nach 49 Jahren, die das mit eben jenen 1712 Lämpchen strahlende Bayer-Kreuz als Symbol für den Konzern diente, hat das Management beschlossen: „Das Kreuz kommt weg. Demontage 2009.“ Stattdessen soll ein neues digitales Kreuz am Bayer-Firmament aufgehen: Millionen LED-Leuchten illuminieren ab dem Jahr 2009 das entkernte Bayer-Hochhaus, in dem früher die Konzernzentrale untergebracht war. „Mit der Umgestaltung zur Medienfassade wollen wir das Bayer-Kreuz Tag und Nacht in zeitgemäßer, innovativer Form und in den aktuellen Firmen-Farben erstrahlen lassen“, heißt es in einer Stellungnahme von Bayer. Das alte Kreuz hat als Firmensymbol ausgedient – aber nicht als Wahrzeichen der Stadt, sagen die Kreuz-Retter. Sie fordern: „Das Kreuz muss bleiben.“ Aus zwei Dachverbänden von Fans des Fußballbundesligisten Bayer 04 haben sich Bürger zur Aktionsgruppe „Das Kreuz muss bleiben“ zusammengeschlossen. „Leverkusen hat bundesweit vielleicht nicht den Ruf, eine wahre Schönheit zu sein“, sagt Andrea Schmitz, Sprecherin der Initiative. Sie vermutet, dieser Ruf resultiere aus der Tatsache, dass die historisch gewachsene Schönheit Leverkusens immer wieder beschnitten wurde. „Das Stadtbild wurde oft seiner historischen Gebäude per Abrissbirne beraubt. Und nun soll Leverkusen auch noch sein Wahrzeichen verlieren, das mit Unterbrechungen seit 1933 leuchtet“, empört sie sich. So müssten das Leverkusener Rathaus und das Bayer-Kaufhaus einem 22500 Quadratmeter großen Kaufzentrum weichen. Das Bayer-Kreuz sei mehr als die größte Leuchtreklame der Welt. „Es ist ein Stück Stadtgeschichte, etwas, das unserer Stadt ein Gesicht und eine Skyline gibt.“ Daran hänge das Herz der Leverkusener.
Die Fans hoffen, dass das Kreuz zum Denkmal erklärt wird
Über 150 Geschäfte, zahlreiche Schulen, kleine Firmen und Institutionen ziehen fleißig mit auf den Kreuzzug – sie haben Unterschriftenlisten ausgelegt, tragen Signaturen zusammen. „Um die 2000 Leute haben bisher für den Erhalt unterschrieben“, sagt Schmitz. Selbst Promis sind auf den Zug aufgesprungen. Der in Leverkusen geborene Frontmann der Kölner Band „Höhner“ , Hennig Krautmacher, hat unterzeichnet, ebenso Deutschlands führender Hammerwerfer Markus Esser. Weitere bekannte Gesichter aus der mit Leverkusen verwurzelten Sportwelt wollten sich anschließen, hieß es aus Fankreisen. Allerdings wurden aus eben jenen Kreisen auch Verschwörungstheorien laut. Eine Abstimmung im Internet zum Erhalt des Kreuzes, so hieß es, hätten Fans des 1. FC Köln – die natürlichen Feinde eines jeden Bayer-04-Anhängers – genutzt, um den Leverkusenern eines auszuwischen, indem sie fleißig für den Abriss der Riesenleuchtreklame votierten. Oder waren es gar Bayer-Vorstände selbst, die gegen das Kreuz klickten? Auch dieses Gerücht machte in den Irrungen und Wirrungen um die leuchtende Reklame die Runde. Bayer nimmt es gelassen, aber auch nicht wirklich Stellung zur Mission der Kreuz-Retter: „Wir freuen uns über die enge Verbundenheit der Leverkusener Bürger, nicht zuletzt der Bayer 04-Fans, mit dem Bayer-Kreuz, einem Markenzeichen, das unser Unternehmen und die Stadt Leverkusen weltweit bekannt gemacht hat“, heißt es schlicht in besagter Stellungnahme. Derweil sehen die Protestler ihre Chance, das Kreuz zu retten, vorerst nicht im Gespräch mit Bayer, sondern mit Oberbürgermeister Ernst Küchler. Der soll die Unterschriftenliste überreicht bekommen. Wenn genug öffentliches Interesse besteht, könnte, so hoffen die Retter, das Bayer-Kreuz zum Industriedenkmal werden und stünde dann untere Denkmalschutz. „Ich denke, das ist unsere einzige Chance“, sagt Andrea Schmitz, „unser Wahrzeichen vor der Demontage zu retten.“ Der Kreuzzug geht weiter.
Quelle: Rheinische Post Printausgabe vom 22.06.2007 - Rubrik Land & Leute
LUDMILLA HAUSER