Sicherheit mit Makel
Bekannt geworden sind die unbemannten Flugobjekte als Kriegsgerät. Nun sollen Drohnen hierzulande für mehr Sicherheit bei Fußball-Veranstaltungen sorgen. Doch Ihr ziviler Einsatz ist bei Datenschützern umstritten.
Nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen beginnt für einige Fans ein Spiel der ganz anderen Art. Die sogenannte dritte Halbzeit. In der zurückliegenden Spielzeit war es vor allem in Sachsen während Ligaspielen immer wieder zu Ausschreitungen und Vandalismus gekommen. Alkoholverbot und getrennte gegnerische Fanblöcke zeigten nicht das gewünschte Ergebnis. Oft haben die Sicherheitskräfte das Nachsehen, weil die Aktionen der Hooligans außerhalb des überwachten Stadionbereichs ablaufen. Um zukünftig schneller eingreifen zu können oder Auseinandersetzungen bereits im Keim zu ersticken, sollen nun Drohnen eingesetzt werde. Die mit Videokamera versehenen unbemannten Aufklärungsflugzeuge werden normalerweise vom Militär zur Feindbeobachtung genutzt. Bei der Bundeswehr kamen Drohnen im Kosovo-Krieg erstmals erfolgreich zum Einsatz. Nun soll das fliegende Auge auch bei der Fußball-Europameisterschaft zumindest rund um die Schweizer Fußballstadien für Sicherheit sorgen.
Die fast lautlose Drohne "SensoCopter" hat einen Durchmesser von knapp einem Meter und soll schon während eines Fußballspiels über dem Stadion kreisen, um verdächtige Hooligans zu filmen. Die Entwicklung besteht von der Hülle bis zu den vier Rotoren komplett aus Karbon. Mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu zehn Metern pro Sekunde soll die von vier Rotoren angetriebene 700 Gramm schwere und 65.000 Euro teure Drohne so rasch wie möglich am Tatort sein.
Zoom aus 3.000 Metern Höhe
Durch das ausgeklügelte System im Innenleben kann sie leichter als ein Modellhubschrauber bedient werden. Der Pilot steuert das fliegende Auge vom Boden aus mit einer Fernbedienung. Über einen Monitor hat er immer vor Augen, was die Drohne sieht und kann so sein Ziel anvisieren. Zusätzlich verfügt die Drohne über einen GPS-Empfänger. Im Zusammenspiel mit einer speziellen Bordsoftware findet der Mini-Aufklärer damit sogar selbstständig jene Ziele, die vorher von der Bodencrew festgelegt wurden. Selbst aus bis zu 3.000 Metern Höhe vermag die Drohne noch scharfe Aufnahmen von Gesichtern zu machen. Sie sind innerhalb weniger Minuten einsatzbereit und leiser als eine elektrische Zahnbürste. Randaliere bemerken von all dem nichts. Eine Fingerbewegung reicht, um den Beobachter an den Ort des Geschehens zu bringen und den weiteren Einsatz zu koordinieren.
Europameisterschaft 2008
Immer wieder kam es in Sachsen zu Ausschreitungen. Deshalb haben in diesem Bundesland während der Spiele der vierten und fünften Liga die unbemannten Fluggeräte mittlerweile ständig ein Auge auf die Fans. Die Drohne sammelt dabei Beweisfotos von Krawallmachern. Diese gelangen direkt zu den Polizeibeamten, so dass Gewalttäter schneller und sicherer als bisher identifiziert und verhaftet werden können. Wegen des messbaren Erfolgs in Deutschland haben solche Drohnen auch ein Auge auf die Fans bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz. Während der Spieltage werden sich Zehntausende von Fußballfans in den Innstädten, Public Viewing-Plätzen und rund um die Stadien aufhalten. Um dabei nicht den Überblick zu verlieren, werden Drohnen gezielt eingesetzt. Allerdings dienen die Fluggeräte während der EM-Tage allein zur Fanüberwachung und keinesfalls zur Strafverfolgung.
Überwachung in Deutschland
In Sachsen hingegen dürfen die mit modernster Videotechnik ausgerüsteten Drohnen auch zur allgemeinen Strafverfolgung oder bei Ausschreitungen eingesetzt werden. Die Behörden können so nicht nur bei öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen Foto- und Videomaterial sammeln, sondern im Prinzip auch jede Alltagssituation beobachten. Eine entsprechende Nutzung zur Überwachung außerhalb von Fußballereignissen wird in den anderen Bundesländern nur zögerlich diskutiert.
Was der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo im Rahmen eines Sicherheitspakets gegen die erschreckende Gewaltbereitschaft der Fans im Freistaat ankündigte, entwickelt bei genauem Hinsehen gehörige Sprengkraft. Unbemannte Drohnen werden zukünftig nicht nur auf Kriegsschauplätzen eingesetzt, sondern auch zur Überwachung von Hooligans.
Prävention auf leisen Sohlen
Wenn die Schläger vor Stadien und in Innenstädten wüten, sollen sie der Polizei bei der Identifizierung der Straftäter helfen. Leise soll dieses unbemannte Flugobjekt am Himmel schwirren und prügelnde Schläger filmen. Zwar gibt es auch jetzt schon bei Schlägereien spezielle Polizeieinheiten, die mit kleinen Kameras ausgestattet sind. Oft können diese jedoch die wütenden Schläger nicht aus nächster Nähe filmen, weil die Polizisten sofort selbst attackiert werden. Im Land hat sich eine radikale Szene etabliert, die nach Erkenntnissen der Polizei auch bei Länderspielen gewütet hat. Bundesweit gehören rund 3.500 Männer zu dieser Kategorie, wovon allein 500 in den Computern der sächsischen Fahnder abgespeichert sind. Sicherheit ist wichtig, doch zu welchem Preis?
Datenschützer warnen vor illegaler Überwachung
Die Detailschärfe von Kameras an Bord von Drohnen sehen Datenschützer mit Skepsis. Erst einmal in der Hand der Polizeikräfte, befürchten sie, dass sich die Überwachung nicht mehr nur auf den Weg ins Stadion beschränken wird. Künftig könnten sogar Privatpersonen ihren Luftraum zwischen Gartenzaun und Eingangstür überwachen. Hobbyentwickler haben bereits bewiesen, wie leicht sich Modellflugzeuge mit entsprechenden Kameras ausstatten lassen. Freilich ist das verdeckte Filmen Privatpersonen offiziell untersagt, doch kontrollieren lässt sich das wohl kaum. >Auch die Sicherheitskräfte stoßen mit der Nutzung der Drohnen an rechtliche Grenzen, wenn die Zielpersonen erst gar nicht bemerken, dass sie gefilmt werden.
Spionage im Namen der Sicherheit
Diese Art der verdeckten Datenerhebung ist nach geltendem Versammlungsrecht illegal. Im Normalfall können Demonstrierende, die ein Überwachungsfahrzeug der Polizei oder die bislang eingesetzten Helikopter bemerken, frei entscheiden, ob sie sich dieser Maßnahme aussetzen wollen. Entweder sie verlassen den Ort des Geschehens oder nehmen in Kauf, gefilmt zu werden. Müssten sie dagegen mit einer dauerhaften versteckten Observation rechnen, wären die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kaum noch gegeben.
Quelle: msn.de