Italien
Fußball nur im Pay-TV
VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN
(RP) Die Rede ist von einem Schock und davon, dass das, was sich gerade in Italien abspielt, einer Revolution gleichkomme. Bruno Pizzul, der langjährige TV-Fachmann für Spiele der italienischen Nationalmannschaft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen RAI, nennt es einen „Schlag ins Gesicht der Fußballfans“.
Alfredo Provenzali, die Radioreporter-Legende, sagt: „Unvorstellbar. Fußball im Radio liegt uns in den Genen.“ Weil sich der Ligaverband und die Fernsehsender nicht auf einen Preis für die Übertragungsrechte einigten, könnte es nun erstmals seit der Premiere 1953 in Italien keine Bilder im frei empfangbaren Fernsehen und keine Radioreportagen von den Spielen der italienischen Serie A und B geben. Es wäre, als ob in Deutschland die „Sportschau“ und „Liga live“ einfach verschwinden würden.
Zwar werden alle Spiele der ersten Liga auch vom Bezahlsender Sky im Satellitenfernsehen und teilweise im wenig verbreiteten Digital-TV gezeigt. 15 bis 16 Millionen Familien, so schätzt der Ligaverband, die Vertretung aller 42 Vereine von Serie A und B, müssen am kommenden Wochenende auf ihren geliebten Calcio verzichten. Allein in den Abendnachrichten werden vier Minuten lang Bilder von den wichtigsten Spielen gezeigt - ein Alptraum für den Tifoso.
Das letzte Angebot für die Erstverwertung, also Zusammenfassung direkt nach Spielschluss, lag bei 20,5 Millionen Euro. Die Liga hatte für die Free-TV-Rechte in der Vorsaison noch 70 Millionen Euro bekommen, 61,5 Millionen davon vom Erstverwerter, der privaten Sendergruppe Mediaset. „Wir wissen genau, dass der Wert des Fußballs im Free-TV gesunken ist“, sagte Liga-Vizepräsident Adriano Galliani. Aber dieses Angebot sei nicht annehmbar.
Für das gesamte Paket inklusive Radio- und Zweitligaübertragungsrechte bot die RAI nun 30,6 Millionen Euro. Mediaset war für die kommende Saison gar nicht mehr an der Erstverwertung interessiert. Ist die Affäre also Ausdruck der Krise des italienischen Fußballs und seiner Vermarktung?
Seit längerem hinkt die Serie A bei der Anzahl der Stadionbesucher hinterher. Etwa 25.000 Zuschauer kamen in der vergangenen Saison durchschnittlich pro Spiel ins Stadion. In der spanischen Primera Division waren es 2007/2008 etwa 29000 Zuschauer, in England 34.000 und in der Bundesliga gar 40.000.
Dennoch liegt die Serie A bei den Fernsehgeldern mit 710 Millionen Euro pro Saison immer noch an zweiter Stelle hinter der englischen Premier League (1,3 Milliarden Euro). Für die Live-Übertragungen bekommen die italienischen Klubs von den Bezahlsendern insgesamt 630 Millionen Euro pro Saison. Die Kosten für frei empfangbare Bilder, um die es im aktuellen Streit geht, machten in der Vorsaison nur etwa ein Zehntel der Einnahmen aus.