Rom (dpa) - Mit einer Art "Amnestie durch die Hintertür" hat das Berufungsgericht im italienischen Fußball-Skandal Juventus Turin & Co. vor ruinösen Strafen, die Liga vor einer totalen Blockade und den Fußballverband FIGC vor einem chaotischen Prozess-Marathon bewahrt.
Gnädig milderten die Richter fast alle Strafen deutlich ab: Dem als einzigen wegen der Liga-Manipulationen zum Zwangsabstieg in die Serie B verurteilten Rekordmeister Juve wird durch weniger Strafpunkte der direkte Wiederaufstieg, dem AC Mailand die Teilnahme an der Champions League sowie AC Florenz und Lazio Rom der Verbleib in der ersten Liga ermöglicht. "Die Show ist gerettet - das hässliche Nachspiel des großen Prozesses", spottete die Zeitung "La Repubblica".
"Farce" oder "Weises Urteil mit Augenmaß"? - Italien schwankt zwischen Erleichterung und Wut. Nach dem durch den Skandal überschatteten WM-Triumph jubeln zumindest die Tifosi der geretteten Clubs wieder: In letzter Sekunde meldete Italien am Mittwoch seine Europacup-Teilnehmer; die Ligen können Ende August pünktlich starten.
"Das Urteil ist lächerlich", schimpfte aber FC Palermos Präsident Maurizio Zamparini, für den Richter Piero Sandulli Gnade vor Recht ergehen ließ. Juve, Florenz und Lazio sehen dies anders, fühlen sich völlig unschuldig und kündigten sogar Berufung vor dem Gericht des Nationalen Olympischen Komitees (CONI) an, bevor sie das Verwaltungsgericht in Rom anrufen wollen.
Hier werden aber allenfalls noch "Rabatte" bei den Strafpunkten für Juve (-17), Florenz (-19), Lazio (-11) und Milan (-8) erwartet, das das Urteil als einziger Club akzeptierte, nachdem sich Milan-Boss Silvio Berlusconi "einigermaßen zufrieden" zeigte. Juves Verbleib in der Serie A gilt als ausgeschlossen, da seine Ex-Manager Luciano Moggi und Antonio Giraudo zusammen mit Schiedsrichter-Koordinator Pierluigi Pairetto und Ex-Star-Schiri Massimo De Sanctis eindeutig die Köpfe der so genannten "Fußball-Mafia" waren.
Ein erneutes Durcheinanderwürfeln der Ligen ist deshalb nicht zu erwarten, so sehr Juve-Präsident Cobolli Gigli dies auch hofft. Er fordert für Juve die "Serie A mit Strafpunkten und einen Titel zurück" und will "so lange prozessieren, bis Juve Gerechtigkeit wiederfährt". "Wir sind die einzigen, die zahlen", klagte Gigli.
Der Zwangsabstieg kostet Juve rund 350 Millionen Euro, errechneten Finanzexperten. Von den Turinern angedachte Schadenersatzklagen gegen Moggi werden dieses Loch nicht stopfen. Der gerade begonnene Umbau des "Stadio delle Alpi" in eine moderne Fußball-Arena mit Einkaufs- und Freizeitcenter scheint in Gefahr.
In Turin wird man nervös, weshalb der zur Dynastie der Agnellis gehörende Fiat-Präsident Luca di Montezemolo beruhigte: "Die Familie Agnelli wird Juve nicht verkaufen."
Auch der Ausverkauf der Stars soll gestoppt werden, nachdem Fabio Cannavaro und Emerson bereits Ex-Trainer Fabio Capello zu Real Madrid gefolgt und Gianluca Zambrotta zum FC Barcelona geflüchtet sind. "Es bleiben alle", sagte Trainer Didier Deschamps. "Jetzt ist der Wiederaufstieg greifbar", schöpfte Turins Bürgermeister Sergio Chiamparini neue Hoffnung. Angesichts des von der Anklage geforderten Abstiegs in die Hölle der dritten Liga, ist ein Jahr Fegefeuer in der Serie B erträglich.
"Wenigstens sind wir wieder im Paradies", freute sich Florenz Sportdirektor Pantaleo Corrino über den Rückbeförderung seines Clubs in die Serie A. Club-Präsident Diego Della Valle gab sich dagegen weniger versöhnlich und beschimpfte den kommissarischen FIGC- Präsidenten Guido Rossi als selbstherrlichen Potentaten und forderte ihn auf: "Geh nach Hause!"
Zuvor muss Rossi jedoch noch über die Vergabe des Juventus aberkannten Meistertitels 2006 entscheiden. "Der steht uns zu", fordert Inter-Besitzer Massimo Moratti. Der Mailänder Ölmagnat gilt als Saubermann, weshalb ihn viele in der "Stunde Null" gerne als Nachfolger des zurückgetretenen Adriano Galliani als neuen Liga-Chef sahen. "Ich fühle mich geehrt", sagte Moratti, weigerte sich bei der Wahl am Mittwoch nachmittag jedoch, nachdem er im ersten Wahldurchgang nur 22 Stimmen bekommen hatte. Nach dem Verband wird nun wohl auch die Liga von einem kommissarischer Präsidenten geführt werden müssen.
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